Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10. Dezember 2008
(Fundstelle: Anlageband zum BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008,
bzgl. der einzelnen Änderungen vgl. Fußnote)
Inhaltsverzeichnis
Teil A: Allgemeine Grundsätze
1. Schädigungsfolgen
2. Grad der Schädigungsfolgen (GdS), Grad der Behinderung (GdB)
3. Gesamt-GdS
4. Hilflosigkeit
5. Besonderheiten der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern und Jugendlichen
6. Blindheit und hochgradige Sehbehinderung
7. Wesentliche Änderung der Verhältnisse
Teil B: GdS-Tabelle
1. Allgemeine Hinweise zur GdS-Tabelle
2. Kopf und Gesicht
3. Nervensystem und Psyche
4. Sehorgan
5. Hör- und Gleichgewichtsorgan
6. Nase
7. Mundhöhle, Rachenraum und obere Luftwege
8. Brustkorb, tiefere Atemwege und Lungen
9. Herz und Kreislauf
10. Verdauungsorgane
11. Brüche (Hernien)
12. Harnorgane
13. Männliche Geschlechtsorgane
14. Weibliche Geschlechtsorgane
15. Stoffwechsel, innere Sekretion
16. Blut, blutbildende Organe, Immunsystem
17. Haut
18. Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten
Teil C: Begutachtung im sozialen Entschädigungsrecht
1. Ursachenbegriff
2. Tatsachen zur Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs
3. Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs
4. Kannversorgung
5. Mittelbare Schädigungsfolgen
6. Absichtlich herbeigeführte Schädigungen
7. Anerkennung im Sinne der Entstehung und Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung
8. Arten der Verschlimmerung
9. Fehlen einer fachgerechten Behandlung
10. Folgen von diagnostischen Eingriffen, vorbeugenden und therapeutischen Maßnahmen
11. Ursächlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod
12. Vorschaden, Nachschaden, Folgeschaden
13. Voraussetzungen für die Pflegezulage, Pflegezulagestufen
Teil D: Merkzeichen
1. Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G)
2. Berechtigung für eine ständige Begleitung (Merkzeichen B)
3. (aufgehoben)
4. Gehörlosigkeit (Merkzeichen Gl)
Teil A: Allgemeine Grundsätze
Vorbemerkung:
Wenn mit dem Grad der Behinderung und dem Grad der Schädigungsfolgen das Maß für die Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemeint ist, wird einheitlich die Abkürzung GdS benutzt.
1.
Schädigungsfolgen
a)
Als Schädigungsfolge wird im sozialen Entschädigungsrecht jede Gesundheitsstörung bezeichnet, die in ursächlichem Zusammenhang mit einer Schädigung steht, die nach dem entsprechenden Gesetz zu berücksichtigen ist.
b)
Die Auswirkungen der Schädigungsfolge werden mit dem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemessen.
c)
Zu den Schädigungsfolgen gehören auch Abweichungen vom Gesundheitszustand, die keinen GdS bedingen (z. B. funktionell bedeutungslose Narben, Verlust von Zähnen).
2.
Grad der Schädigungsfolgen (GdS), Grad der Behinderung (GdB)
a)
GdS und GdB werden nach gleichen Grundsätzen bemessen. Beide Begriffe unterscheiden sich lediglich dadurch, dass der GdS nur auf die Schädigungsfolgen (also kausal) und der GdB auf alle Gesundheitsstörungen unabhängig von ihrer Ursache (also final) bezogen ist. Beide Begriffe haben die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben zum Inhalt. GdS und GdB sind ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens.
b)
Aus dem GdB und aus dem GdS ist nicht auf das Ausmaß der Leistungsfähigkeit zu schließen. GdB und GdS sind grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf zu beurteilen, es sei denn, dass bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht ein besonderes berufliches Betroffensein berücksichtigt werden muss.
c)
GdB und GdS setzen stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und alten Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB und GdS nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, d. h. für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, d. h. Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB und GdS zu berücksichtigen, auch dann, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten" (z. B. „Altersdiabetes", „Altersstar") bezeichnet werden.
d)
Die in der GdS-Tabelle aufgeführten Werte sind aus langer Erfahrung gewonnen und stellen altersunabhängige (auch trainingsunabhängige) Mittelwerte dar. Je nach Einzelfall kann von den Tabellenwerten mit einer die besonderen Gegebenheiten darstellenden Begründung abgewichen werden.
e)
Da der GdS seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdS nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz- Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Die sehr wenigen in der GdS-Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng umschriebene Gesundheitsstörungen bezogen, die selten allein und sehr selten genau in dieser Form und Ausprägung vorliegen.
f)
Der GdS setzt eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraus. Dementsprechend ist bei abklingenden Gesundheitsstörungen der Wert festzusetzen, der dem über sechs Monate hinaus verbliebenen - oder voraussichtlich verbleibenden - Schaden entspricht. Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf ist mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen. Dies bedeutet: Wenn bei einem Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist (Beispiele: chronische Bronchitis, Hautkrankheiten, Anfallsleiden), können die zeitweiligen Verschlechterungen - aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung - nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB- und GdS-Beurteilung von dem „durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden.
g)
Stirbt ein Antragsteller oder eine Antragstellerin innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt einer Gesundheitsstörung, so ist für diese Gesundheitsstörung der GdS anzusetzen, der nach ärztlicher Erfahrung nach Ablauf von sechs Monaten nach Eintritt der Gesundheitsstörung zu erwarten gewesen wäre. Fallen Eintritt der Gesundheitsstörung und Tod jedoch zusammen, kann ein GdS nicht angenommen werden. Eintritt der Gesundheitsstörung und Tod fallen nicht nur zusammen, wenn beide Ereignisse im selben Augenblick eintreten. Dies ist vielmehr auch dann der Fall, wenn die Gesundheitsstörung in so rascher Entwicklung zum Tode führt, dass der Eintritt der Gesundheitsstörung und des Todes einen untrennbaren Vorgang darstellen.
h)
Gesundheitsstörungen, die erst in der Zukunft zu erwarten sind, sind beim GdS nicht zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit des Abwartens einer Heilungsbewährung stellt eine andere Situation dar; während der Zeit dieser Heilungsbewährung ist ein höherer GdS gerechtfertigt, als er sich aus dem festgestellten Schaden ergibt.
i)
Bei der Beurteilung des GdS sind auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten. Die in der GdS-Tabelle niedergelegten Sätze berücksichtigen bereits die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z. B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust). Sind die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdS gerechtfertigt. Vergleichsmaßstab ist nicht der behinderte Mensch, der überhaupt nicht oder kaum unter seinem Körperschaden leidet, sondern die allgemeine ärztliche Erfahrung hinsichtlich der regelhaften Auswirkungen. Außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen sind anzunehmen, wenn anhaltende psychoreaktive Störungen in einer solchen Ausprägung vorliegen, dass eine spezielle ärztliche Behandlung dieser Störungen - z. B. eine Psychotherapie - erforderlich ist.
j)
Ähnliches gilt für die Berücksichtigung von Schmerzen. Die in der GdS-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Ist nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden. Das kommt zum Beispiel bei Kausalgien und bei stark ausgeprägten Stumpfbeschwerden nach Amputationen (Stumpfnervenschmerzen, Phantomschmerzen) in Betracht. Ein Phantomgefühl allein bedingt keinen GdS.
3.
Gesamt-GdS
a)
Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind zwar Einzel-GdS anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdS durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdS ungeeignet. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
b)
Bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen sind unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, zu denen in der Tabelle feste GdS-Werte angegeben sind.
c)
Bei der Beurteilung des Gesamt-GdS ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdS 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden.
d)
Um die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander beurteilen zu können, muss aus der ärztlichen Gesamtschau heraus beachtet werden, dass die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander unterschiedlich sein können:
aa)
Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen.
bb)
Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken. Dies ist vor allem der Fall, wenn Funktionsbeeinträchtigungen an paarigen Gliedmaßen oder Organen - also z. B. an beiden Armen oder beiden Beinen oder beiden Nieren oder beiden Augen - vorliegen.
cc)
Die Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden.
dd)
Die Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung werden durch eine hinzutretende Gesundheitsstörung nicht verstärkt.
ee)
Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
4.
Hilflosigkeit
a)
Für die Gewährung einer Pflegezulage im sozialen Entschädigungsrecht ist Grundvoraussetzung, dass Beschädigte (infolge der Schädigung) „hilflos" sind.
b)
Hilflos sind diejenigen, die infolge von Gesundheitsstörungen - nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB I X) und dem Einkommensteuergesetz „nicht nur vorübergehend" - für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder einer Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.
c)
Häufig und regelmäßig wiederkehrende Verrichtungen zur Sicherung der persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages sind insbesondere An- und Auskleiden, Nahrungsaufnahme, Körperpflege, Verrichten der Notdurft. Außerdem sind notwendige körperliche Bewegung, geistige Anregung und Möglichkeiten zur Kommunikation zu berücksichtigen. Hilflosigkeit liegt im oben genannten Sinne auch dann vor, wenn ein psychisch oder geistig behinderter Mensch zwar bei zahlreichen Verrichtungen des täglichen Lebens der Hilfe nicht unmittelbar bedarf, er diese Verrichtungen aber infolge einer Antriebsschwäche ohne ständige Überwachung nicht vornähme. Die ständige Bereitschaft ist z. B. anzunehmen, wenn Hilfe häufig und plötzlich wegen akuter Lebensgefahr notwendig ist.
d)
Der Umfang der notwendigen Hilfe bei den häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen muss erheblich sein. Dies ist der Fall, wenn die Hilfe dauernd für zahlreiche Verrichtungen, die häufig und regelmäßig wiederkehren, benötigt wird. Einzelne Verrichtungen, selbst wenn sie lebensnotwendig sind und im täglichen Lebensablauf wiederholt vorgenommen werden, genügen nicht (z. B. Hilfe beim Anziehen einzelner Bekleidungsstücke, notwendige Begleitung bei Reisen und Spaziergängen, Hilfe im Straßenverkehr, einfache Wund- oder Heilbehandlung, Hilfe bei Heimdialyse ohne Notwendigkeit weiterer Hilfeleistung). Verrichtungen, die mit der Pflege der Person nicht unmittelbar zusammenhängen (z. B. im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung) müssen außer Betracht bleiben.
e)
Bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, kann im Allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets
aa)
bei Blindheit und hochgradiger Sehbehinderung,
bb)
Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig - auch innerhalb des Wohnraums - die Benutzung eines Rollstuhls erfordern,
f)
in der Regel auch
aa)
bei Hirnschäden, Anfallsleiden, geistiger Behinderung und Psychosen, wenn diese Behinderungen allein einen GdS von 100 bedingen,
bb)
Verlust von zwei oder mehr Gliedmaßen, ausgenommen Unterschenkel- oder Fußamputation beiderseits. (Als Verlust einer Gliedmaße gilt der Verlust mindestens der ganzen Hand oder des ganzen Fußes).
g)
Führt eine Behinderung zu dauerndem Krankenlager, so sind stets auch die Voraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit erfüllt. Dauerndes Krankenlager setzt nicht voraus, dass der behinderte Mensch das Bett überhaupt nicht verlassen kann.
h)
Stirbt ein behinderter Mensch innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt einer Gesundheitsstörung, so ist die Frage der Hilflosigkeit analog Nummer 2 Buchstabe g zu beurteilen.
5.
Besonderheiten der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern und Jugendlichen
a)
Bei der Beurteilung der Hilflosigkeit bei Kindern und Jugendlichen sind nicht nur die bei der Hilflosigkeit genannten „Verrichtungen" zu beachten. Auch die Anleitung zu diesen „Verrichtungen", die Förderung der körperlichen und geistigen Entwicklung (z. B. durch Anleitung im Gebrauch der Gliedmaßen oder durch Hilfen zum Erfassen der Umwelt und zum Erlernen der Sprache) sowie die notwendige Überwachung gehören zu den Hilfeleistungen, die für die Frage der Hilflosigkeit von Bedeutung sind.
b)
Stets ist nur der Teil der Hilfsbedürftigkeit zu berücksichtigen, der wegen der Behinderung den Umfang der Hilfsbedürftigkeit eines gesunden gleichaltrigen Kindes überschreitet. Der Umfang der wegen der Behinderungen notwendigen zusätzlichen Hilfeleistungen muss erheblich sein. Bereits im ersten Lebensjahr können infolge der Behinderung Hilfeleistungen in solchem Umfang erforderlich sein, dass dadurch die Voraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit erfüllt sind.
c)
Die Besonderheiten des Kindesalters führen dazu, dass zwischen dem Ausmaß der Behinderung und dem Umfang der wegen der Behinderung erforderlichen Hilfeleistungen nicht immer eine Korrelation besteht, so dass - anders als bei Erwachsenen - auch schon bei niedrigerem GdS Hilflosigkeit vorliegen kann.
d)
Bei angeborenen oder im Kindesalter aufgetretenen Behinderungen ist im Einzelnen folgendes zu beachten:
aa)
Bei geistiger Behinderung kommt häufig auch bei einem GdS unter 100 - und dann in der Regel bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres - Hilflosigkeit in Betracht, insbesondere wenn das Kind wegen gestörten Verhaltens ständiger Überwachung bedarf. Hilflosigkeit kann auch schon im Säuglingsalter angenommen werden, z. B. durch Nachweis eines schweren Hirnschadens.
bb)
Bei tief greifenden Entwicklungsstörungen, die für sich allein einen GdS von mindestens 50 bedingen, und bei anderen gleich schweren, im Kindesalter beginnenden Verhaltens- und emotionalen Störungen mit lang andauernden erheblichen Einordnungsschwierigkeiten ist regelhaft Hilflosigkeit bis zum 18. Lebensjahr anzunehmen.
cc)
Bei hirnorganischen Anfallsleiden ist häufiger als bei Erwachsenen auch bei einem GdS unter 100 unter Berücksichtigung der Anfallsart, Anfallsfrequenz und eventueller Verhaltensauffälligkeiten die Annahme von Hilflosigkeit gerechtfertigt.
dd)
Bei sehbehinderten Kindern und Jugendlichen mit Einschränkungen des Sehvermögens, die für sich allein einen GdS von wenigstens 80 bedingen, ist bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Hilflosigkeit anzunehmen.
ee)
Bei Taubheit und an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit ist Hilflosigkeit ab Beginn der Frühförderung und dann - insbesondere wegen des in dieser Zeit erhöhten Kommunikationsbedarfs - in der Regel bis zur Beendigung der Ausbildung anzunehmen. Zur Ausbildung zählen in diesem Zusammenhang: der Schul-, Fachschul- und Hochschulbesuch, eine berufliche Erstausbildung und Weiterbildung sowie vergleichbare Maßnahmen der beruflichen Bildung.
ff)
Bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalte und kompletter Gaumensegelspalte ist bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) Hilflosigkeit anzunehmen. Die Kinder benötigen während dieser Zeit in hohem Maße Hilfeleistungen, die weit über diejenigen eines gesunden gleichaltrigen Kindes hinausgehen, vor allem bei der Nahrungsaufnahme (gestörte Atmung, Gefahr des Verschluckens), bei der Reinigung der Mundhöhle und des Nasen-Rachenraumes, beim Spracherwerb sowie bei der Überwachung beim Spielen.
gg)
Beim Bronchialasthma schweren Grades ist Hilflosigkeit in der Regel bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres anzunehmen.
hh)
Bei angeborenen oder in der Kindheit erworbenen Herzschäden ist bei einer schweren Leistungsbeeinträchtigung entsprechend den in Teil B Nummer 9.1.1 angegebenen Gruppen 3 und 4 Hilflosigkeit anzunehmen, und zwar bis zu einer Besserung der Leistungsfähigkeit (z. B. durch Operation), längstens bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres.
ii)
Bei Behandlung mit künstlicher Niere ist Hilflosigkeit bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres anzunehmen. Bei einer Niereninsuffizienz, die für sich allein einen GdS von 100 bedingt, sind Hilfeleistungen in ähnlichem Umfang erforderlich, sodass auch hier bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres die Annahme von Hilflosigkeit begründet ist.
jj)
Beim Diabetes mellitus ist Hilflosigkeit bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres anzunehmen.
kk)
Bei Phenylketonurie ist Hilflosigkeit ab Diagnosestellung - in der Regel bis zum 14. Lebensjahr - anzunehmen. Über das 14. Lebensjahr hinaus kommt Hilflosigkeit in der Regel nur noch dann in Betracht, wenn gleichzeitig eine relevante Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung vorliegt.
ll)
Bei der Mukoviszidose ist bei der Notwendigkeit umfangreicher Betreuungsmaßnahmen - im Allgemeinen bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres -Hilflosigkeit anzunehmen. Das ist immer der Fall bei Mukoviszidose, die für sich allein einen GdS von wenigstens 50 bedingt (siehe Teil B Nummer 15.5). Nach Vollendung des 16. Lebensjahres kommt Hilflosigkeit bei schweren und schwersten Einschränkungen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in Betracht.
mm)
Bei malignen Erkrankungen (z. B. akute Leukämie) ist Hilflosigkeit für die Dauer der zytostatischen Intensiv-Therapie anzunehmen.
nn)
Bei angeborenen, erworbenen oder therapieinduzierten schweren Immundefekten ist Hilflosigkeit für die Dauer des Immunmangels, der eine ständige Überwachung wegen der Infektionsgefahr erforderlich macht, anzunehmen.
oo)
Bei der Hämophilie ist bei Notwendigkeit der Substitutionsbehandlung - und damit schon bei einer Restaktivität von antihämophilem Globulin von 5 % und darunter - stets bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres, darüber hinaus häufig je nach Blutungsneigung (zwei oder mehr ausgeprägte Gelenkblutungen pro Jahr) und Reifegrad auch noch weitere Jahre, Hilflosigkeit anzunehmen.
pp)
Bei der juvenilen chronischen Polyarthritis ist Hilflosigkeit anzunehmen, solange die Gelenksituation eine ständige Überwachung oder andauernd Hilfestellungen beim Gebrauch der betroffenen Gliedmaßen sowie Anleitungen zu Bewegungsübungen erfordert, in der Regel bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres. Bei der systemischen Verlaufsform (Still-Syndrom) und anderen systemischen Bindegewebskrankheiten (z.B. Lupus erythematodes, Sharp-Syndrom, Dermatomyositis) ist für die Dauer des aktiven Stadiums Hilflosigkeit anzunehmen.
qq)
Bei der Osteogenesis imperfecta ist die Hilflosigkeit nicht nur von den Funktionseinschränkungen der Gliedmaßen sondern auch von der Häufigkeit der Knochenbrüche abhängig. In der Regel bedingen zwei oder mehr Knochenbrüche pro Jahr Hilflosigkeit. Hilflosigkeit aufgrund einer solchen Bruchneigung ist solange anzunehmen, bis ein Zeitraum von zwei Jahren ohne Auftreten von Knochenbrüchen abgelaufen ist, längstens jedoch bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres.
rr)
Bei klinisch gesicherter Typ-I-Allergie gegen schwer vermeidbare Allergene (z.B. bestimmte Nahrungsmittel), bei der aus dem bisherigen Verlauf auf die Gefahr lebensbedrohlicher anaphylaktischer Schocks zu schließen ist, ist Hilflosigkeit - in der Regel bis zum Ende des 12. Lebensjahres - anzunehmen.
ss)
Bei der Zöliakie kommt Hilflosigkeit nur ausnahmsweise in Betracht. Der Umfang der notwendigen Hilfeleistungen bei der Zöliakie ist regelmäßig wesentlich geringer als etwa bei Kindern mit Phenylketonurie oder mit Diabetes mellitus.
e)
Wenn bei Kindern und Jugendlichen Hilflosigkeit festgestellt worden ist, muss bei der Beurteilung der Frage einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse Folgendes beachtet werden: Die Voraussetzungen für die Annahme von Hilflosigkeit können nicht nur infolge einer Besserung der Gesundheitsstörungen entfallen, sondern auch dadurch, dass behinderte Jugendliche infolge des Reifungsprozesses - etwa nach Abschluss der Pubertät - ausreichend gelernt haben, die wegen der Behinderung erforderlichen Maßnahmen selbstständig und eigenverantwortlich durchzuführen, die vorher von Hilfspersonen geleistet oder überwacht werden mussten.
6.
Blindheit und hochgradige Sehbehinderung
a)
Blind ist ein behinderter Mensch, dem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind ist auch ein behinderter Mensch anzusehen, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,02 (1/50) beträgt oder wenn andere Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad vorliegen, dass sie dieser Beeinträchtigung der Sehschärfe gleichzustellen sind.
b)
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 (1/50) oder weniger gleich zusetzende Sehbehinderung liegt nach den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft bei folgenden Fallgruppen vor:
aa)
bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
bb)
bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
cc)
bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
dd)
bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
ee)
bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
ff)
bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
gg)
bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
c)
Blind ist auch ein behinderter Mensch mit einem nachgewiesenen vollständigen Ausfall der Sehrinde (Rindenblindheit), nicht aber mit einer visuellen Agnosie oder anderen gnostischen Störungen.
d)
Für die Feststellung von Hilflosigkeit ist im Übrigen zu prüfen, ob eine hochgradige Sehbehinderung vorliegt. Hochgradig in seiner Sehfähigkeit behindert ist ein Mensch, dessen Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht beidäugig mehr als 0,05 (1/20) beträgt oder wenn andere hinsichtlich des Schweregrades gleich zusetzende Störungen der Sehfunktion vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Einschränkung des Sehvermögens einen GdS von 100 bedingt und noch keine Blindheit vorliegt.
7.
Wesentliche Änderung der Verhältnisse
a)
Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Schädigungsfolgen oder der Behinderung liegt nur vor, wenn der veränderte Gesundheitszustand mehr als sechs Monate angehalten hat oder voraussichtlich anhalten wird und die Änderung des GdS wenigstens 10 beträgt. Eine wesentliche Änderung ist auch gegeben, wenn die entscheidenden Voraussetzungen für weitere Leistungen im sozialen Entschädigungsrecht (z.B. Pflegezulage) oder für Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen erfüllt werden oder entfallen sind.
b)
Nach Ablauf der Heilungsbewährung ist auch bei gleichbleibenden Symptomen eine Neubewertung des GdS zulässig, weil der Ablauf der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse darstellt.
c)
Bei Beurteilungen im sozialen Entschädigungsrecht ist bei einer Zunahme des Leidensumfangs zusätzlich zu prüfen, ob die Weiterentwicklung noch Folge einer Schädigung ist. Auch bei gleichbleibendem Erscheinungsbild kann eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse vorliegen, wenn sich die schädigungsbedingte Störung, die dem Erscheinungsbild zunächst zugrunde lag, gebessert oder ganz zurückgebildet hat, das Leidensbild jedoch aufgrund neuer Ursachen bestehen geblieben ist („Verschiebung der Wesensgrundlage").
Teil B: GdS-Tabelle
1.
Allgemeine Hinweise zur GdS-Tabelle
a)
Die nachstehend genannten GdS sind Anhaltswerte. Es ist unerlässlich, alle die Teilhabe beeinträchtigenden körperlichen, geistigen und seelischen Störungen im Einzelfall zu berücksichtigen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung.
b)
Bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, ist der GdS in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen.
c)
Eine Heilungsbewährung ist abzuwarten nach Transplantationen innerer Organe und nach der Behandlung von Krankheiten, bei denen dies in der Tabelle vorgegeben ist. Dazu gehören vor allen bösartige Geschwulstkrankheiten. Für die häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten sind im Folgenden Anhaltswerte für den GdS angegeben. Sie sind auf den Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen. Der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre; kürzere Zeiträume werden in der Tabelle vermerkt. Maßgeblicher Bezugspunkt für den Beginn der Heilungsbewährung ist der Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann; eine zusätzliche adjuvante Therapie hat keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung. Der aufgeführte GdS bezieht den regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein. Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung - z.B. lang dauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie - sind zu berücksichtigen. Bei den im Folgenden nicht genannten malignen Geschwulstkrankheiten ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung - in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach der Geschwulstbeseitigung - ist in den Fällen, in denen der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden für sich allein keinen GdS von wenigstens 50 bedingt, im allgemeinen nach Geschwulstbeseitigung im Frühstadium ein GdS von 50 und nach Geschwulstbeseitigung in höheren Stadien ein GdS von 80 angemessen. Bedingen der verbliebene Körperschaden oder die Therapiefolgen einen GdS von 50 oder mehr, ist der bis zum Ablauf der Heilungsbewährung anzusetzende GdS entsprechend höher zu bewerten.
d)
Ein Carcinoma in situ (Cis) rechtfertigt grundsätzlich kein Abwarten einer Heilungsbewährung. Ausgenommen hiervon sind das Carcinoma in situ der Harnblase und das Carcinoma in situ der Brustdrüse (intraduktales und lobuläres Carcinoma in situ), bei denen wegen klinischer Besonderheiten bei Vorliegen o. g. Voraussetzungen das Abwarten einer Heilungsbewährung begründet ist.
2.
Kopf und Gesicht
2.1 Narben nach Warzenfortsatzaufmeißelung 0
Einfache Schädelbrüche ohne Komplikationen im Heilverlauf 0
Kleinere Knochenlücken, Substanzverluste (auch größere gedeckte) am knöchernen Schädel 0-10
Schädelnarben am Hirnschädel mit erheblichem Verlust von Knochenmasse ohne Funktionsstörung des Gehirns (einschließlich entstellender Wirkung) 30
Hierzu gehören insbesondere alle traumatisch entstandenen erheblichen (nicht gedeckten) Substanzverluste am Hirnschädel, die auch das innere Knochenblatt betreffen.
Einfache Gesichtsentstellung
nur wenig störend 10
sonst 20-30
Hochgradige Entstellung des Gesichts 50
2.2 Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich
leicht 0-10
ausgeprägt, den oralen Bereich einschließend 20-30
Gesichtsneuralgien (z. B. Trigeminusneuralgie)
leicht (seltene, leichte Schmerzen) 0-10
mittelgradig
(häufigere, leichte bis mittelgradige Schmerzen, schon durch geringe Reize auslösbar) 20-40
schwer
(häufige, mehrmals im Monat auftretende starke Schmerzen bzw. Schmerzattacken) 50-60
besonders schwer
(starker Dauerschmerz oder Schmerzattacken mehrmals wöchentlich) 70-80
2.3 Echte Migräne
je nach Häufigkeit und Dauer der Anfälle und Ausprägung der Begleiterscheinungen.
leichte Verlaufsform
(Anfälle durchschnittlich einmal monatlich) 0-10
mittelgradige Verlaufsform
(häufigere Anfälle, jeweils einen oder mehrere Tage anhaltend) 20-40
schwere Verlaufsform
(lang andauernde Anfälle mit stark ausgeprägten Begleiterscheinungen, Anfallspausen von nur wenigen Tagen) 50-60
2.4 Periphere Fazialisparese
einseitig
kosmetisch nur wenig störende Restparese 0-10
ausgeprägtere Restparese oder Kontrakturen 20-30
komplette Lähmung oder ausgeprägte Kontraktur 40
beidseitig komplette Lähmung 50
3.
Nervensystem und Psyche
3.1 Hirnschäden
a)
Ein Hirnschaden ist nachgewiesen, wenn Symptome einer organischen Veränderung des Gehirns - nach Verletzung oder Krankheit nach dem Abklingen der akuten Phase - festgestellt worden sind. Wenn bei späteren Untersuchungen keine hirnorganischen Funktionsstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen mehr zu erkennen sind beträgt der GdS dann - auch unter Einschluss geringer z. B. vegetativer Beschwerden - 20; nach offenen Hirnverletzungen nicht unter 30.
b)
Bestimmend für die Beurteilung des GdS ist das Ausmaß der bleibenden Ausfallserscheinungen. Dabei sind der neurologische Befund, die Ausfallserscheinungen im psychischen Bereich unter Würdigung der prämorbiden Persönlichkeit und ggf. das Auftreten von zerebralen Anfällen zu beachten. Bei der Mannigfaltigkeit der Folgezustände von Hirnschädigungen kommt ein GdS zwischen 20 und 100 in Betracht.
c)
Bei Kindern ist zu berücksichtigen, dass sich die Auswirkungen eines Hirnschadens abhängig vom Reifungsprozess sehr verschieden (Besserung oder Verschlechterung) entwickeln können, so dass in der Regel Nachprüfungen in Abständen von wenigen Jahren angezeigt sind.
d)
Bei einem mit Ventil versorgten Hydrozephalus ist ein GdS von wenigstens 30 anzusetzen.
e)
Nicht nur vorübergehende vegetative Störungen nach Gehirnerschütterung (reversible und morphologisch nicht nachweisbare Funktionsstörung des Gesamthirns) rechtfertigen im ersten Jahr nach dem Unfall einen GdS von 10 bis 20.
Bei der folgenden GdS-Tabelle der Hirnschäden soll die unter Nummer 3.1.1 genannte Gesamtbewertung im Vordergrund stehen. Die unter Nummer 3.1.2 angeführten isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndrome stellen eine ergänzende Hilfe zur Beurteilung dar.
3.1.1 Grundsätze der Gesamtbewertung von Hirnschäden
Hirnschäden mit geringer Leistungsbeeinträchtigung 30-40
Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung 50-60
Hirnschäden mit schwerer Leistungsbeeinträchtigung 70-100
3.1.2 Bewertung von Hirnschäden mit isoliert vorkommenden bzw. führenden Syndromen
(bei Begutachtungen im sozialen Entschädigungsrecht auch zur Feststellung der Schwerstbeschädigtenzulage)
Hirnschäden mit psychischen Störungen
leicht (im Alltag sich gering auswirkend) 30-40
mittelgradig (im Alltag sich deutlich auswirkend) 50-60
schwer 70-100
Zentrale vegetative Störungen als Ausdruck eines Hirndauerschadens (z. B. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Vasomotorenregulation oder der Schweißregulation)
leicht 30
mittelgradig, auch mit vereinzelten synkopalen Anfällen 40
mit häufigeren Anfällen oder erheblichen Auswirkungen auf den Allgemeinzustand 50
Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen (spino-) zerebellarer Ursache je nach dem Ausmaß der Störung der Ziel- und Feinmotorik einschließlich der Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen
(siehe hierzu auch bei Hör- und Gleichgewichtsorgan) 30-100
Hirnschäden mit kognitiven Leistungsstörungen (z. B. Aphasie, Apraxie, Agnosie)
leicht (z. B. Restaphasie) 30-40
mittelgradig (z. B. Aphasie mit deutlicher bis sehr ausgeprägter Kommunikationsstörung) 50-80
schwer (z. B. globale Aphasie) 90-100
Zerebral bedingte Teillähmungen und Lähmungen
leichte Restlähmungen und Tonusstörungen der Gliedmaßen 30
bei ausgeprägteren Teillähmungen und vollständigen Lähmungen ist der GdS aus Vergleichen mit dem GdS bei Gliedmaßenverlusten, peripheren Lähmungen und anderen Funktionseinbußen der Gliedmaßen abzuleiten. vollständige Lähmung von Arm und Bein (Hemiplegie) 100
Parkinson-Syndrom
ein- oder beidseitig, geringe Störung der Bewegungsabläufe, keine Gleichgewichtsstörung, geringe Verlangsamung 30-40
deutliche Störung der Bewegungsabläufe, Gleichgewichtsstörungen, Unsicherheit beim Umdrehen, stärkere Verlangsamung 50-70
schwere Störung der Bewegungsabläufe bis zur Immobilität 80-100
Andere extrapyramidale Syndrome - auch mit Hyperkinesen - sind analog nach Art und Umfang der gestörten Bewegungsabläufe und der Möglichkeit ihrer Unterdrückung zu bewerten; bei lokalisierten Störungen (z. B. Torticollis spasmodicus) sind niedrigere GdS als bei generalisierten (z. B. choreatische Syndrome) in Betracht zu ziehen.
Epileptische Anfälle
je nach Art, Schwere, Häufigkeit und tageszeitlicher Verteilung
sehr selten (generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten) 40
selten
(generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen) 50-60
mittlere Häufigkeit
(generalisierte [große] und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen) 60-80
häufig
(generalisierte [große] oder komplex-fokale Anfälle wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen; kleine und einfach-fokale Anfälle täglich) 90-100
nach drei Jahren Anfallsfreiheit bei weiterer Notwendigkeit antikonvulsiver Behandlung 30
Ein Anfallsleiden gilt als abgeklungen, wenn ohne Medikation drei Jahre Anfallsfreiheit besteht. Ohne nachgewiesenen Hirnschaden ist dann kein GdS mehr anzunehmen.
3.2 Narkolepsie
Je nach Häufigkeit, Ausprägung und Kombination der Symptome (Tagesschläfrigkeit, Schlafattacken, Kataplexien, automatisches Verhalten im Rahmen von Ermüdungserscheinungen, Schlaflähmungen - häufig verbunden mit hypnagogen Halluzinationen) ist im Allgemeinen ein GdS von 50 bis 80 anzusetzen.
3.3 Hirntumoren
Der GdS von Hirntumoren ist vor allem von der Art und Dignität und von der Ausdehnung und Lokalisation mit ihren Auswirkungen abhängig.
Nach der Entfernung gutartiger Tumoren (z. B. Meningeom, Neurinom) richtet sich der GdS allein nach dem verbliebenen Schaden.
Bei Tumoren wie Oligodendrogliom, Ependymom, Astrozytom II, ist der GdS, wenn eine vollständige Tumorentfernung nicht gesichert ist, nicht niedriger als 50 anzusetzen.
Bei malignen Tumoren (z. B. Astrozytom III, Glioblastom, Medulloblastom) ist der GdS mit wenigstens 80 zu bewerten.
Das Abwarten einer Heilungsbewährung (von fünf Jahren) kommt in der Regel nur nach der Entfernung eines malignen Kleinhirntumors des Kindesalters (z. B. Medulloblastom) in Betracht. Der GdS beträgt während dieser Zeit (im Frühstadium) bei geringer Leistungsbeeinträchtigung 50.
3.4 Beeinträchtigungen der geistigen Leistungsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter
Die GdS-Beurteilung der Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung darf nicht allein vom Ausmaß der Intelligenzminderung und von diesbezüglichen Testergebnissen ausgehen, die immer nur Teile der Behinderung zu einem bestimmten Zeitpunkt erfassen können. Daneben muss stets auch die Persönlichkeitsentwicklung auf affektivem und emotionalem Gebiet, wie auch im Bereich des Antriebs und der Prägung durch die Umwelt mit allen Auswirkungen auf die sozialen Einordnungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
3.4.1 Entwicklungsstörungen im Kleinkindesalter
Die Beurteilung setzt eine standardisierte Befunderhebung mit Durchführung geeigneter Testverfahren voraus (Nachuntersuchung mit Beginn der Schulpflicht). Umschriebene Entwicklungsstörungen in den Bereichen Motorik, Sprache oder Wahrnehmung und Aufmerksamkeit
leicht, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Gesamtentwicklung 0-10
sonst - bis zum Ausgleich -
je nach Beeinträchtigung der Gesamtentwicklung 20-40
bei besonders schwerer Ausprägung 50
Globale Entwicklungsstörungen (Einschränkungen in den Bereichen Sprache und Kommunikation, Wahrnehmung und Spielverhalten, Motorik, Selbständigkeit, soziale Integration)
je nach Ausmaß der sozialen Einordnungsstörung und der Verhaltensstörung (z. B. Hyperaktivität, Aggressivität)
geringe Auswirkungen 30-40
starke Auswirkungen
(z. B. Entwicklungsquotient [EQ] von 70 bis über 50) 50-70
schwere Auswirkungen (z. B. EQ 50 und weniger) 80-100
3.4.2 Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit im Schul- und Jugendalter
Kognitive Teilleistungsschwächen (z. B. Lese-Rechtschreib-Schwäche [Legasthenie], isolierte Rechenstörung)
leicht, ohne wesentliche Beeinträchtigung der Schulleistungen 0-10
sonst - auch unter Berücksichtigung von Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen - bis zum Ausgleich 20-40
bei besonders schwerer Ausprägung (selten) 50
Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit mit einem Intelligenzrückstand entsprechend einem Intelligenz-Alter (I.A.) von etwa 10 bis 12 Jahren bei Erwachsenen (Intelligenzquotient [IQ] von etwa 70 bis 60)
wenn während des Schulbesuchs nur geringe Störungen, insbesondere der Auffassung, der Merkfähigkeit, der psychischen Belastbarkeit, der sozialen Einordnung, des Sprechens, der Sprache, oder anderer kognitiver Teilleistungen vorliegen 30-40
wenn sich nach Abschluss der Schule noch eine weitere Bildungsfähigkeit gezeigt hat und keine wesentlichen, die soziale Einordnung erschwerenden Persönlichkeitsstörungen bestehen 30-40
wenn ein Ausbildungsberuf unter Nutzung der Sonderregelungen für behinderte Menschen erreicht werden kann 30-40
wenn während des Schulbesuchs die oben genannten Störungen stark ausgeprägt sind oder mit einem Schulversagen zu rechnen ist 50-70
wenn nach Abschluss der Schule auf eine Beeinträchtigung der Fähigkeit zu selbständiger Lebensführung oder sozialer Einordnung geschlossen werden kann 50-70
wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung trotz beruflicher Fördermöglichkeiten (z. B. in besonderen Rehabilitationseinrichtungen) nicht in der Lage ist, sich auch unter Nutzung der Sonderregelungen für behinderte Menschen beruflich zu qualifizieren 50-70
Intelligenzmangel mit stark eingeengter Bildungsfähigkeit, erheblichen Mängeln im Spracherwerb, Intelligenzrückstand entsprechend einem I.A. unter 10 Jahren bei Erwachsenen (IQ unter 60)
bei relativ günstiger Persönlichkeitsentwicklung und sozialer Anpassungsmöglichkeit (Teilerfolg in einer Sonderschule, selbständige Lebensführung in einigen Teilbereichen und Einordnung im allgemeinen Erwerbsleben mit einfachen motorischen Fertigkeiten noch möglich) 80-90
bei stärkerer Einschränkung der Eingliederungsmöglichkeiten mit hochgradigem Mangel an Selbständigkeit und Bildungsfähigkeit, fehlender Sprachentwicklung, unabhängig von der Arbeitsmarktlage und auf Dauer Beschäftigungsmöglichkeit nur in einer Werkstatt für Behinderte 100
3.5 Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend
Die Kriterien der Definitionen der ICD 10-GM Version 2011 müssen erfüllt sein. Komorbide psychische Störungen sind gesondert zu berücksichtigen. Eine Behinderung liegt erst ab Beginn der Teilhabebeeinträchtigung vor. Eine pauschale Festsetzung des GdS nach einem bestimmten Lebensalter ist nicht möglich.
3.5.1 Tief greifende Entwicklungsstörungen (insbesondere frühkindlicher Autismus, atypischer Autismus, Asperger-Syndrom)
Bei tief greifenden Entwicklungsstörungen
–
ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 10–20,
–
mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 30–40,
–
mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 50–70,
–
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 80–100.
Soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integrationsfähigkeit in Lebensbereiche (wie zum Beispiel Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) nicht ohne besondere Förderung oder Unterstützung (zum Beispiel durch Eingliederungshilfe) gegeben ist oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechende Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen. Mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung (zum Beispiel einen Integrationshelfer als Eingliederungshilfe) möglich ist. Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht möglich ist.
3.5.2 Hyperkinetische Störungen und Aufmerksamkeitsstörungen ohne Hyperaktivität
Ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten liegt keine Teilhabebeeinträchtigung vor.
Bei sozialen Anpassungsschwierigkeiten
–
ohne Auswirkung auf die Integrationsfähigkeit beträgt der GdS 10 – 20.
–
mit Auswirkungen auf die Integrationsfähigkeit in mehreren Lebensbereichen (wie zum Beispiel Regel-Kindergarten, Regel-Schule, allgemeiner Arbeitsmarkt, öffentliches Leben, häusliches Leben) oder wenn die Betroffenen einer über das dem jeweiligen Alter entsprechende Maß hinausgehenden Beaufsichtigung bedürfen, beträgt der GdS 30 – 40.
–
mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung oder umfassende Beaufsichtigung ermöglichen, beträgt der GdS 50 – 70.
–
mit Auswirkungen, die die Integration in Lebensbereiche auch mit umfassender Unterstützung nicht ermöglichen, beträgt der GdS 80 – 100.
Ab dem Alter von 25 Jahren beträgt der GdS regelhaft nicht mehr als 50.
3.5.3 Störungen des Sozialverhaltens und Störungen sozialer Funktionen mit Beginn in der Kindheit und Jugend sind je nach Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung, insbesondere der Einschränkung der sozialen Integrationsfähigkeit und dem Betreuungsaufwand, individuell zu bewerten.
3.6 Schizophrene und affektive Psychosen
Langdauernde (über ein halbes Jahr anhaltende) Psychose im floriden Stadium je nach Einbuße beruflicher und sozialer Anpassungsmöglichkeiten 50-100
Schizophrener Residualzustand (z. B. Konzentrationsstörung, Kontaktschwäche, Vitalitätseinbuße, affektive Nivellierung) mit geringen und einzelnen Restsymptomen
ohne soziale Anpassungsschwierigkeiten 10-20
mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten 30-40
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50-70
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100
Affektive Psychose mit relativ kurz andauernden, aber häufig wiederkehrenden Phasen
bei 1 bis 2 Phasen im Jahr von mehrwöchiger Dauer je nach Art und Ausprägung 30-50
bei häufigeren Phasen von mehrwöchiger Dauer 60-100
Nach dem Abklingen lang dauernder psychotischer Episoden ist eine Heilungsbewährung von zwei Jahren abzuwarten.
GdS während dieser Zeit, wenn bereits mehrere manische oder manische und depressive Phasen vorangegangen sind 50
sonst 30
Eine Heilungsbewährung braucht nicht abgewartet zu werden, wenn eine monopolar verlaufene depressive Phase vorgelegen hat, die als erste Krankheitsphase oder erst mehr als zehn Jahre nach einer früheren Krankheitsphase aufgetreten ist.
3.7 Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0-20
Stärker behindernde Störungen
mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
(z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30-40
Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit)
mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten 50-70
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80-100
3.8 Psychische Störungen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
Der schädliche Gebrauch psychotroper Substanzen ohne körperliche oder psychische Schädigung bedingt keinen Grad der Schädigungsfolgen. Die Abhängigkeit von Koffein oder Tabak sowie von Koffein und Tabak bedingt für sich allein in der Regel keine Teilhabebeeinträchtigung.
Abhängigkeit von psychotropen Substanzen liegt vor, wenn als Folge des chronischen Substanzkonsums mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind:
–
starker Wunsch (Drang), die Substanz zu konsumieren,
–
verminderte Kontrollfähigkeit (Kontrollverlust) den Konsum betreffend,
–
Vernachlässigung anderer sozialer Aktivitäten zugunsten des Substanzkonsums,
–
fortgesetzter Substanzkonsum trotz des Nachweises schädlicher Folgen,
–
Toleranzentwicklung,
–
körperliche Entzugssymptome nach Beenden des Substanzkonsums.
Es gelten folgende GdS-Werte:
Bei schädlichem Gebrauch von psychotropen Substanzen mit leichteren psychischen Störungen beträgt der GdS 0–20.
Bei Abhängigkeit:
–
mit leichten sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 30–40,
–
mit mittleren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 50–70,
–
mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten beträgt der GdS 80–100.
Ist im Fall einer Abhängigkeit, die zuvor mit einem GdS von mindestens 50 zu bewerten war, Abstinenz erreicht, muss eine Heilungsbewährung von zwei Jahren ab dem Zeitpunkt des Beginns der Abstinenz abgewartet werden. Während dieser Zeit ist ein GdS von 30 anzunehmen, es sei denn, die bleibenden psychischen oder hirnorganischen Störungen rechtfertigen einen höheren GdS. Weitere Organschäden sind unter Beachtung von Teil A Nummer 2 Buchstabe e der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu bewerten.
Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle sind nach Teil B Nummer 3.7 zu bewerten.
3.9 Rückenmarkschäden
Unvollständige, leichte Halsmarkschädigung mit beidseits geringen motorischen und sensiblen Ausfällen, ohne Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion 30-60
Unvollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit Teillähmung beider Beine, ohne Störungen der Blasen- und Mastdarmfunktion 30-60
Unvollständige Brustmark-, Lendenmark- oder Kaudaschädigung mit Teillähmung beider Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion 60-80
Unvollständige Halsmarkschädigung mit gewichtigen Teillähmungen beider Arme und Beine und Störungen der Blasen- und/oder Mastdarmfunktion 100
Vollständige Halsmarkschädigung mit vollständiger Lähmung beider Arme und Beine und Störungen der Blasen- und/ oder Mastdarmfunktion 100
Vollständige Brustmark-, Lendenmark-, oder Kaudaschädigung mit vollständiger Lähmung der Beine und Störungen der Blasen und/oder Mastdarmfunktion 100
3.10 Multiple Sklerose
Der GdS richtet sich vor allem nach den zerebralen und spinalen Ausfallserscheinungen. Zusätzlich ist die aus dem klinischen Verlauf sich ergebende Krankheitsaktivität zu berücksichtigen.
3.11 Polyneuropathien
Bei den Polyneuropathien ergeben sich die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund motorischer Ausfälle (mit Muskelatrophien), sensibler Störungen oder Kombinationen von beiden. Der GdS motorischer Ausfälle ist in Analogie zu den peripheren Nervenschäden einzuschätzen. Bei den sensiblen Störungen und Schmerzen ist zu berücksichtigen, dass schon leichte Störungen zu Beeinträchtigungen - z. B. bei Feinbewegungen - führen können.
4.
Sehorgan
Die Sehbehinderung umfasst alle Störungen des Sehvermögens. Für die Beurteilung ist in erster Linie die korrigierte Sehschärfe maßgebend; daneben sind u. a. Ausfälle des Gesichtsfeldes und des Blickfeldes zu berücksichtigen.
Die Sehschärfe ist grundsätzlich entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) nach DIN 58220 zu bestimmen; Abweichungen hiervon sind nur in Ausnahmefällen zulässig (zum Beispiel bei Bettlägerigkeit oder Kleinkindern). Die übrigen Partialfunktionen des Sehvermögens sind nur mit Geräten oder Methoden zu prüfen, die den Empfehlungen der DOG entsprechend eine gutachtenrelevante einwandfreie Beurteilung erlauben.
Hinsichtlich der Gesichtsfeldbestimmung bedeutet dies, dass zur Feststellung von Gesichtsfeldausfällen nur Ergebnisse der manuellkinetischen Perimetrie entsprechend der Marke Goldmann III/4e verwertet werden dürfen.
Bei der Beurteilung von Störungen des Sehvermögens ist darauf zu achten, dass der morphologische Befund die Sehstörungen erklärt.
Die Grundlage für die GdS-Beurteilung bei Herabsetzung der Sehschärfe bildet die „MdE-Tabelle der DOG".
4.1 Verlust eines Auges mit dauernder, einer Behandlung nicht
zugänglichen Eiterung der Augenhöhle 40
4.2 Linsenverlust
Linsenverlust korrigiert durch intraokulare Kunstlinse oder Kontaktlinse
Linsenverlust eines Auges
Sehschärfe 0,4 und mehr 10
Sehschärfe 0,1 bis weniger als 0,4 20
Sehschärfe weniger als 0,1 25-30
Linsenverlust beider Augen
Beträgt der sich aus der Sehschärfe für beide Augen ergebende GdS nicht mehr als 60, ist dieser um 10 zu erhöhen.
Die GdS-Werte setzen die Verträglichkeit der Linsen voraus. Maßgebend ist der objektive Befund.
Bei Versorgung mit Starbrille ist der aus der Sehschärfe für beide Augen sich ergebende GdS um 10 zu erhöhen, bei Blindheit oder Verlust des anderen Auges um 20.
Bei Unkorrigierbarkeit richtet sich der GdS nach der Restsehschärfe.
4.3 Die augenärztliche Untersuchung umfasst die Prüfung der einäugigen und beidäugigen Sehschärfe. Sind die Ergebnisse beider Prüfungsarten unterschiedlich, so ist bei der Bewertung die beidäugige Sehschärfe als Sehschärfewert des besseren Auges anzusetzen.
MdE-Tabelle der DOG
RA 1,0 0,8 0,63 0,5 0,4 0,32 0,25 0,2 0,16 0,1 0,08 0,05 0,02 0
Sehschärfe 5/5 5/6 5/8 5/10 5/12 5/15 5/20 5/25 5/30 5/50 1/12 1/20 1/50 0
LA
1,0 5/5 0 0 0 5 5 10 10 10 15 20 20 25 25 *25
0,8 5/6 0 0 5 5 10 10 10 15 20 20 25 30 30 30
0,63 5/8 0 5 10 10 10 10 15 20 20 25 30 30 30 40
0,5 5/10 5 5 10 10 10 15 20 20 25 30 30 35 40 40
0,4 5/12 5 10 10 10 20 20 25 25 30 30 35 40 50 50
0,32 5/15 10 10 10 15 20 30 30 30 40 40 40 50 50 50
0,25 5/20 10 10 15 20 25 30 40 40 40 50 50 50 60 60
0,2 5/25 10 15 20 20 25 30 40 50 50 50 60 60 70 70
0,16 5/30 15 20 20 25 30 40 40 50 60 60 60 70 80 80
0,1 5/50 20 20 25 30 30 40 50 50 60 70 70 80 90 90
0,08 1/12 20 25 30 30 35 40 50 60 60 70 80 90 90 90
0,05 1/20 25 30 30 35 40 50 50 60 70 80 90 100 100 100
0,02 1/50 25 30 30 40 50 50 60 70 80 90 90 100 100 100
0 0 *25 30 40 40 50 50 60 70 80 90 90 100 100 100
4.4 Augenmuskellähmungen, Strabismus
wenn ein Auge wegen der Doppelbilder vom Sehen ausgeschlossen werden muss 30
bei Doppelbildern nur in einigen Blickfeldbereichen bei sonst normalem Binokularsehen ergibt sich der GdS aus dem nachstehenden Schema von Haase und Steinhorst:
bei einseitiger Bildunterdrückung durch Gewöhnung (Exklusion) und entsprechendem Verschwinden der Doppelbilder 10
Einschränkungen der Sehschärfe (z. B. Amblyopie) oder eine erheblich entstellende Wirkung sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
Lähmung des Oberlides mit nicht korrigierbarem, vollständigem
Verschluss des Auges 30
sonst 10-20
Fehlstellungen der Lider, Verlegung der Tränenwege mit Tränenträufeln
einseitig 0-10
beidseitig 10-20
4.5 Gesichtsfeldausfälle
Vollständige Halbseiten- und Quadrantenausfälle
Homonyme Hemianopsie 40
Bitemporale Hemianopsie 30
Binasale Hemianopsie
bei beidäugigem Sehen 10
bei Verlust des beidäugigen Sehens 30
Homonymer Quadrant oben 20
Homonymer Quadrant unten 30
Vollständiger Ausfall beider unterer Gesichtsfeldhälften 60
Ausfall einer Gesichtsfeldhälfte bei Verlust oder Blindheit des anderen Auges
nasal 60
temporal 70
Bei unvollständigen Halbseiten- und Quadrantenausfällen ist der GdS entsprechend niedriger anzusetzen.
Gesichtsfeldeinengungen
Allseitige Einengung bei normalem Gesichtsfeld des anderen Auges
auf 10° Abstand vom Zentrum 10
auf 5° Abstand vom Zentrum 25
Allseitige Einengung binokular
auf 50° Abstand vom Zentrum 10
auf 30° Abstand vom Zentrum 30
auf 10° Abstand vom Zentrum 70
auf 5° Abstand vom Zentrum 100
Allseitige Einengung bei Fehlen des anderen Auges
auf 50° Abstand vom Zentrum 40
auf 30° Abstand vom Zentrum 60
auf 10° Abstand vom Zentrum 90
auf 5° Abstand vom Zentrum 100
Unregelmäßige Gesichtsfeldausfälle, Skotome im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians, binokular
mindestens 1/3 ausgefallene Fläche 20
mindestens 2/3 ausgefallene Fläche 50
Bei Fehlen eines Auges sind die Skotome entsprechend höher zu bewerten.
4.6 Ausfall des Farbensinns 0
Einschränkung der Dunkeladaptation (Nachtblindheit) oder des Dämmerungssehens 0-10
4.7 Nach Hornhauttransplantationen richtet sich der GdS allein nach dem Sehvermögen.
4.8 Nach Entfernung eines malignen Augentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
bei Tumorbegrenzung auf den Augapfel (auch bei Augapfelentfernung) 50
sonst wenigstens 80
5.
Hör- und Gleichgewichtsorgan
Maßgebend für die Bewertung des GdS bei Hörstörungen ist die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Der Beurteilung ist die von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie empfohlene Tabelle (siehe Nummer 5.2.4, Tabelle D) zugrunde zu legen. Nach Durchführung eines Ton- und Sprachaudiogramms ist der Prozentsatz des Hörverlustes aus entsprechenden Tabellen abzuleiten.
Die in der GdS-Tabelle enthaltenen Werte zur Schwerhörigkeit berücksichtigen die Möglichkeit eines Teilausgleichs durch Hörhilfen mit.
Sind mit der Hörstörung andere Erscheinungen verbunden, z. B. Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen, Artikulationsstörungen oder außergewöhnliche psychoreaktive Störungen, so kann der GdS entsprechend höher bewertet werden.
5.1 Angeborene oder in der Kindheit erworbene Taubheit oder an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit mit Sprachstörungen
angeboren oder bis zum 7. Lebensjahr erworben (schwere Störung des Spracherwerbs, in der Regel lebenslang) 100
später erworben (im 8. bis 18. Lebensjahr) mit schweren Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) 100
sonst je nach Sprachstörung 80-90
5.2 Hörverlust
5.2.1 Zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus den Werten der sprachaudiometrischen Untersuchung (nach Boenninghaus u. Röser 1973):
Tabelle A
Hörverlust für Zahlen ind dB
< ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab ab
20 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70
Gesamtwortverstehen < 20 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100 100
ab 20 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 95 100
ab 35 90 90 90 90 90 90 90 90 90 90 95 100
ab 50 80 80 80 80 80 80 80 80 80 90 95 100
ab 75 70 70 70 70 70 70 70 70 80 90 95 100
ab 100 60 60 60 60 60 60 60 70 80 90 95
ab 125 50 50 50 50 50 50 60 70 80 90
ab 150 40 40 40 40 40 50 60 70 80
ab 175 30 30 30 30 40 50 60 70
ab 200 20 20 20 30 40 50 60
ab 225 10 10 20 30 40 50
ab 250 0 10 20 30 40
Das Gesamtwortverstehen wird aus der Wortverständigungskurve errechnet. Es entsteht durch Addition der Verständnisquoten bei 60, 80 und 100 dB Lautstärke (einfaches Gesamtwortverstehen). Bei der Ermittlung von Schwerhörigkeiten bis zu einem Hörverlust von 40% ist das gewichtete Gesamtwortverstehen (FeIdmann 1988 anzuwenden: 3 x Verständnisquote bei 60dB + 2 x Verständnisquote bei 80 dB + 1 x Verständnisquote bei 100 dB. Summe dividiert durch 2.
5.2.2 Zur Ermittlung des prozentualen Hörverlustes aus dem Tonaudiogramm bei unregelmäßigem Verlauf der Tongehörskurve. Der prozentuale Hörverlust ergibt sich durch Addition der vier Teilkomponenten (4-Frequenztabelle nach Röser 1973):
Tabelle B
Tonhörverlust
dB 500 Hz 1000 Hz 2000 Hz 4000 Hz
10 0 0 0 0
15 2 3 2 1
20 3 5 5 2
25 4 8 7 4
30 6 10 9 5
35 8 13 11 6
40 9 16 13 7
45 11 18 16 8
50 12 21 18 9
55 14 24 20 10
60 15 26 23 11
65 17 29 25 12
70 18 32 27 13
75 19 32 28 14
80 19 33 29 14
ab 85 20 35 30 15
5.2.3.3 Frequenztabelle nach Röser 1980 für die Beurteilung bei Hochtonverlusten vom Typ Lärmschwerhörigkeit:
Tabelle C
Tonverlust bei 1 kHz
dB von 0 5 15 25 35 45 55 65 75 85 95
bis 5 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
Summe bei 2 und 3 kHz 0 - 15 0 0 0 0 5 5 Hörverlust in %
20 - 35 0 0 0 5 10 20 30
40 - 55 0 0 0 10 20 25 35 45
60 - 75 0 0 10 15 25 35 40 50 60
80 - 95 0 5 15 25 30 40 50 60 70 80
100 - 115 5 15 20 30 40 45 55 70 80 90 100
120 - 135 10 20 30 35 45 55 65 75 90 100 100
140 - 155 20 25 35 45 50 60 75 85 95 100 100
160 - 175 25 35 40 50 60 70 80 95 100 100 100
80 - 195 30 40 50 55 70 80 90 100 100 100 100
ab 200 40 45 55 65 75 90 100 100 100 100 100
5.2.4 Zur Ermittlung des GdS aus den Schwerhörigkeitsgraden für beide Ohren:
Tabelle D
Rechtes Ohr Normalhörigkeit 0 - 20 0 0 10 10 15 20
10
Geringgradige Schwerhörigkeit 20 - 40 0 15 20 20 30 30
20
Mittelgradige Schwerhörigkeit 40 - 60 10 20 30 30 40 40
40
Hochgradige Schwerhörigkeit 60-80 10 20 30 50 50 50
60
An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit 80 - 95 15 30 40 50 70 70
80
Taubheit 100 20 30 40 50 70 80
Hörverlust in Prozent
0 - 20 20 - 40 40 - 60 60 - 80 80 - 95 100
Normalhörigkeit Geringgradige Schwerhörigkeit Mittelgradige Schwerhörigkeit Hochgradige Schwerhörigkeit An Taubheit grenzende Schwerhörigkeit Taubheit
Linkes Ohr
5.3 Gleichgewichtsstörungen
(Normabweichungen in den apparativ erhobenen neurootologischen Untersuchungsbefunden bedingen für sich allein noch keinen GdS)
ohne wesentliche Folgen
beschwerdefrei, allenfalls Gefühl der Unsicherheit bei alltäglichen Belastungen (z. B. Gehen, Bücken, Aufrichten, Kopfdrehungen, leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung) leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen (Schwanken) bei höheren Belastungen (z. B. Heben von Lasten, Gehen im Dunkeln, abrupte Körperbewegungen) stärkere Unsicherheit mit Schwindelerscheinungen (Fallneigung, Ziehen nach einer Seite) erst bei außergewöhnlichen Belastungen (z. B. Stehen und Gehen auf Gerüsten, sportliche Übungen mit raschen Körperbewegungen) keine nennenswerten Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen 0-10
mit leichten Folgen
leichte Unsicherheit, geringe Schwindelerscheinungen wie Schwanken, Stolpern, Ausfallsschritte bei alltäglichen Belastungen, stärkere Unsicherheit und Schwindelerscheinungen bei höheren Belastungen leichte Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen erst auf höherer Belastungsstufe 20
mit mittelgradigen Folgen
stärkere Unsicherheit, Schwindelerscheinungen mit Fallneigung bereits bei alltäglichen Belastungen, heftiger Schwindel (mit vegetativen Erscheinungen, gelegentlich Übelkeit, Erbrechen) bei höheren und außergewöhnlichen Belastungen deutliche Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen bereits auf niedriger Belastungsstufe 30-40
mit schweren Folgen
heftiger Schwindel, erhebliche Unsicherheit und Schwierigkeiten bereits beim Gehen und Stehen im Hellen und bei anderen alltäglichen Belastungen, teilweise Gehhilfe erforderlich 50-70
bei Unfähigkeit, ohne Unterstützung zu gehen oder zu stehen 80
Ohrgeräusche (Tinnitus)
ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen 0-10
mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen 20
mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägte depressive Störungen) 30-40
mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten mindestens 50
Menière-Krankheit
ein bis zwei Anfälle im Jahr 0-10
häufigere Anfälle, je nach Schweregrad 20-40
mehrmals monatlich schwere Anfälle 50
Bleibende Hörstörungen und Ohrgeräusche (Tinnitus) sind zusätzlich zu bewerten.
5.4 Chronische Mittelohrentzündung
ohne Sekretion oder einseitige zeitweise Sekretion 0
einseitige andauernde Sekretion oder zeitweise beidseitige Sekretion 10
andauernd beidseitige Sekretion 20
Radikaloperationshöhle
reizlos 0
bei unvollständiger Überhäutung und ständiger Sekretion
einseitig 10
beidseitig 20
5.5 Verlust einer Ohrmuschel 20
6.
Nase
6.1 Völliger Verlust der Nase 50
Teilverlust der Nase, Sattelnase
wenig störend 10
sonst 20-30
6.2 Stinknase (Ozaena), je nach Ausmaß der Borkenbildung und
des Foetors 20-40
Verengung der Nasengänge
einseitig je nach Atembehinderung 0-10
doppelseitig mit leichter bis mittelgradiger Atembehinderung 10
doppelseitig mit starker Atembehinderung 20
Chronische Nebenhöhlenentzündung
leichteren Grades
(ohne wesentliche Neben- und Folgeerscheinungen) 0-10
schweren Grades
(ständige erhebliche Eiterabsonderung, Trigeminusreizerscheinungen, Polypenbildung) 20-40
6.3 Völliger Verlust des Riechvermögens mit der damit verbundenen
Beeinträchtigung der Geschmackswahrnehmung 15
Völliger Verlust des Geschmackssinns 10
7.
Mundhöhle, Rachenraum und obere Luftwege
Verletzungs- und Erkrankungsfolgen an den Kiefern, Kiefergelenken und Weichteilen der Mundhöhle, einschließlich der Zunge und der Speicheldrüsen, sind nach dem Grad ihrer Auswirkung auf Sprech-, Kau- und Schluckvermögen zu beurteilen. Eine Gesichtsentstellung ist gesondert zu berücksichtigen.
7.1 Lippendefekt mit ständigem Speichelfluss 20-30
Äußere Speichelfistel, Frey-Syndrom
geringe Sekretion 10
sonst 20
Störung der Speichelsekretion
(vermehrter Speichelfluss, Mundtrockenheit) 0-20
7.2 Schwere Funktionsstörung der Zunge durch Gewebsverlust, narbige Fixierung oder Lähmung je nach Umfang und Artikulationsstörung 30-50
Behinderung der Mundöffnung
(Schneidekantendistanz zwischen 5 und 25 mm) mit deutlicher Auswirkung auf die Nahrungsaufnahme 20-40
Kieferklemme mit Notwendigkeit der Aufnahme flüssiger oder passierter Nahrung und entsprechenden Sprechstörungen 50
7.3 Verlust eines Teiles des Unterkiefers mit schlaffer Pseudarthrose
ohne wesentliche Beeinträchtigung der Kaufunktion und Artikulation 0-10
mit erheblicher Beeinträchtigung der Kaufunktion und Artikulation 20-50
Verlust eines Teiles des Oberkiefers
ohne wesentliche kosmetische und funktionelle Beeinträchtigung 0-10
mit entstellender Wirkung, wesentlicher Beeinträchtigung der Nasen- und Nebenhöhlen (Borkenbildung, ständige Sekretion) 20-40
7.4 Umfassender Zahnverlust
über 1/2 Jahr hinaus prothetisch nur unzureichend zu versorgen 10-20
Verlust erheblicher Teile des Alveolarfortsatzes mit wesentlicher, prothetisch nicht voll ausgleichbarer Funktionsbehinderung 20
7.5 Ausgedehnter Defekt des Gaumens mit gut sitzender
Defektprothese 30
Verlust des Gaumens ohne Korrekturmöglichkeit durch geeignete Prothese (Störung der Nahrungsaufnahme) 50
7.6 Lippen-, Kiefer-, Gaumen- und Segelspalten bei Kindern, bis zum Abschluss der Behandlung
Isolierte voll ausgebildete Lippenspalte (ein- oder beidseitig)
bis zum Abschluss der Behandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) je nach Trinkstörung, Beeinträchtigung der mimischen Muskulatur und Störung der Lautbildung 30-50
Lippen-Kieferspalte
bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) 60-70
bis zum Verschluss der Kieferspalte 50
Lippen-Kiefer-Gaumenspalte
bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) unter Mitberücksichtigung der regelhaft damit verbundenen Hörstörung (Tubenfehlbelüftung) und der Störung der Nasenatmung 100
bis zum Verschluss der Kieferspalte 50
Komplette Gaumen- und Segelspalte ohne Kieferspalte
wegen der bis zum Abschluss der Erstbehandlung (in der Regel ein Jahr nach der Operation) bestehenden mit der Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vergleichbaren Auswirkungen 100
Isolierte Segelspalte, submuköse Gaumenspalte bis zum Abschluss der Behandlung je nach Ausmaß der Artikulationsstörung 0-30
Ausgeprägte Hörstörungen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach Abschluss der Behandlung richtet sich der GdS immer nach der verbliebenen Gesundheitsstörung.
7.7 Schluckstörungen
ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Beschwerden 0-10
mit erheblicher Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Auswirkung (Einschränkung der Kostform, verlängerte Essdauer) 20-40
mit häufiger Aspiration und erheblicher Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes 50-70
7.8 Verlust des Kehlkopfes
bei guter Ersatzstimme und ohne Begleiterscheinungen, unter Mitberücksichtigung der Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit (fehlende Bauchpresse) 70
in allen anderen Fällen 80
Anhaltende schwere Bronchitiden und Beeinträchtigungen durch Nervenlähmungen im Hals- und Schulterbereich sind zusätzlich zu berücksichtigen.
Bei Verlust des Kehlkopfes wegen eines malignen Tumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten;
GdB bzw. GdS während dieser Zeit 100
Teilverlust des Kehlkopfes
je nach Sprechfähigkeit und Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit 20-50
Bei Teilverlust des Kehlkopfes wegen eines malignen Tumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten;
GdS während dieser Zeit
bei Geschwulstentfernung im Frühstadium (T1 N0 M0) 50-60
sonst 80
7.9 Tracheostoma
reizlos oder mit geringen Reizerscheinungen (Tracheitis, Bronchitis), gute Sprechstimme 40
mit erheblichen Reizerscheinungen und/oder erheblicher Beeinträchtigung der Sprechstimme bis zum Verlust der Sprechfähigkeit (z. B. bei schweren Kehlkopfveränderungen) 50-80
Einschränkungen der Atemfunktion sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
Trachealstenose ohne Tracheostoma
Der GdS ist je nach Atembehinderung analog der dauernden Einschränkung der Lungenfunktion zu beurteilen.
7.10 Funktionelle und organische Stimmstörungen (z. B. Stimmbandlähmung)
mit geringer belastungsabhängiger Heiserkeit 0-10
mit dauernder Heiserkeit 20-30
nur Flüsterstimme 40
mit völliger Stimmlosigkeit 50
Atembehinderungen sind ggf. zusätzlich zu bewerten analog der dauernden Einschränkung der Lungenfunktion.
7.11 Artikulationsstörungen
durch Lähmungen oder Veränderungen in Mundhöhle oder Rachen
mit verständlicher Sprache 10
mit schwer verständlicher Sprache 20-40
mit unverständlicher Sprache 50
Stottern
leicht 0-10
mittelgradig, situationsunabhängig 20
schwer, auffällige Mitbewegungen 30-40
mit unverständlicher Sprache 50
Außergewöhnliche psychoreaktive Störungen einschließlich somatoformer Störungen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen
8.
Brustkorb, tiefere Atemwege und Lungen
Bei chronischen Krankheiten der Bronchien und des Lungenparenchyms sowie bei Brustfellschwarten richtet sich der GdS vor allem nach der klinischen Symptomatik mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand. Außerdem sind die Einschränkung der Lungenfunktion, die Folgeerscheinungen an anderen Organsystemen (z. B. Cor pulmonale) und bei allergisch bedingten Krankheiten auch die Vermeidbarkeit der Allergene zu berücksichtigen.
8.1 Brüche und Defekte der Knochen des Brustkorbs (Rippen, Brustbein, Schlüsselbein)
ohne Funktionsstörungen verheilt, je nach Ausdehnung des Defektes 0-10
Rippendefekte mit Brustfellschwarten
ohne wesentliche Funktionsstörung 0-10
bei sehr ausgedehnten Defekten einschließlich entstellender Wirkung 20
Brustfellverwachsungen und -schwarten
ohne wesentliche Funktionsstörung 0-10
Fremdkörper im Lungengewebe oder in der Brustkorbwand
reaktionslos eingeheilt 0
8.2 Chronische Bronchitis, Bronchiektasen
als eigenständige Krankheiten - ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion, leichte Form
(symptomfreie Intervalle über mehrere Monate, wenig Husten, geringer Auswurf) 0-10
schwere Form
(fast kontinuierlich ausgiebiger Husten und Auswurf, häufige akute Schübe) 20-30
Pneumokoniosen (z. B. Silikose, Asbestose)
ohne wesentliche Einschränkung der Lungenfunktion 0-10
8.3 Krankheiten der Atmungsorgane mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion
geringen Grades
das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bei mittelschwerer Belastung (z. B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit); statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 1/3 niedriger als die Sollwerte,
Blutgaswerte im Normbereich 20-40
mittleren Grades
das gewöhnliche Maß übersteigende Atemnot bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z. B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit); statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung bis zu 2/3 niedriger als die Sollwerte,
respiratorische Partialinsuffizienz 50-70
schweren Grades
Atemnot bereits bei leichtester Belastung oder in Ruhe; statische und dynamische Messwerte der Lungenfunktionsprüfung um mehr als 2/3 niedriger als die Sollwerte,
respiratorische Globalinsuffizienz 80-100
8.4 Nach einer Lungentransplantation ist eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdS von 100 anzusetzen. Danach ist der GdS selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Mitberücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression nicht niedriger als 70 zu bewerten.
Nach Entfernung eines malignen Lungentumors oder eines Bronchialtumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während dieser Zeit wenigstens 80
bei Einschränkung der Lungenfunktion
mittleren bis schweren Grades 90-100
8.5 Bronchialasthma ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion,
Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder
leichten Anfällen 0-20
Hyperreagibilität mit häufigen (mehrmals pro Monat)
und/oder schweren Anfällen 30-40
Hyperreagibilität mit Serien schwerer Anfälle 50
Eine dauernde Einschränkung der Lungenfunktion ist zusätzlich zu berücksichtigen.
8.6 Bronchialasthma bei Kindern
geringen Grades
(Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen, keine dauernde Einschränkung der Atemfunktion, nicht mehr als sechs Wochen Bronchitis im Jahr) 20-40
mittleren Grades
(Hyperreagibilität mit häufigeren und/oder schweren Anfällen, leichte bis mittelgradige ständige Einschränkung der Atemfunktion, etwa 2 bis 3 Monate kontinuierliche Bronchitis im Jahr) 50-70
schweren Grades
(Hyperreagibilität mit Serien schwerer Anfälle, schwere Beeinträchtigung der Atemfunktion, mehr als 3 Monate kontinuierliche Bronchitis im Jahr) 80-100
8.7 Schlaf-Apnoe-Syndrom (Nachweis durch Untersuchung im Schlaflabor)
ohne Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung 0-10
mit Notwendigkeit einer kontinuierlichen nasalen Überdruckbeatmung 20
bei nicht durchführbarer nasaler Überdruckbeatmung 50
Folgeerscheinungen oder Komplikationen (z. B. Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Cor pulmonale) sind zusätzlich zu berücksichtigen.
8.8 Tuberkulose
Tuberkulöse Pleuritis
Der GdS richtet sich nach den Folgeerscheinungen.
Lungentuberkulose
ansteckungsfähig (mehr als 6 Monate andauernd) 100
nicht ansteckungsfähig
ohne Einschränkung der Lungenfunktion 0
sonst je nach Einschränkung der Lungenfunktion.
8.9 Sarkoidose
Der GdS richtet sich nach der Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und nach den Auswirkungen an den verschiedenen Organen.
Bei chronischem Verlauf mit klinischen Aktivitätszeichen und Auswirkungen auf den Allgemeinzustand ist ohne Funktionseinschränkung von betroffenen Organen ein GdS von 30 anzunehmen.
9.
Herz und Kreislauf
Für die Bemessung des GdS ist weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdS ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Ergometerdaten und andere Parameter stellen Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße.
9.1 Krankheiten des Herzens
9.1.1 Einschränkung der Herzleistung:
1. keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z. B. sehr schnelles Gehen [7-8 km/h], schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Solleistung bei Ergometerbelastung; bei Kindern und Säuglingen (je nach Alter) beim Strampeln, Krabbeln, Laufen, Treppensteigen keine wesentliche Leistungsbeeinträchtigung, keine Tachypnoe, kein Schwitzen 0-10
2. Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z. B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten); bei Kindern und Säuglingen Trinkschwierigkeiten, leichtes Schwitzen, leichte Tachy- und Dyspnoe, leichte Zyanose, keine Stauungsorgane, Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 1 Watt/kg Körpergewicht 20-40
3. Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z. B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten); bei Kindern und Säuglingen deutliche Trinkschwierigkeiten, deutliches Schwitzen, deutliche Tachy- und Dyspnoe, deutliche Zyanose, rezidivierende pulmonale Infekte, kardial bedingte Gedeihstörungen, Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 0,75 Watt/kg Körpergewicht 50-70
mit gelegentlich auftretenden, vorübergehend schweren Dekompensationserscheinungen 80
4. Leistungsbeeinträchtigung bereits in Ruhe (Ruheinsuffizienz, z. B. auch bei fixierter pulmonaler Hypertonie); bei Kindern und Säuglingen auch hypoxämische Anfälle, deutliche Stauungsorgane, kardiale Dystrophie 90-100
(Die für Erwachsene angegebenen Wattzahlen sind auf mittleres Lebensalter und Belastung im Sitzen bezogen.)
Liegen weitere objektive Parameter zur Leistungsbeurteilung vor, sind diese entsprechend zu berücksichtigen. Notwendige körperliche Leistungsbeschränkungen (z. B. bei höhergradiger Aortenklappenstenose, hypertrophischer obstruktiver Kardiomyopathie) sind wie Leistungsbeeinträchtigungen zu bewerten.
9.1.2 Nach operativen und anderen therapeutischen Eingriffen am Herzen ist der GdS von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig. Bei Herzklappenprothesen ist der GdS nicht niedriger als 30 zu bewerten; dieser Wert schließt eine Dauerbehandlung mit Antikoagulantien ein.
9.1.3 Nach einem Herzinfarkt ist der GdS von der bleibenden Leistungsbeeinträchtigung abhängig.
9.1.4 Nach Herztransplantation ist eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdS von 100 anzusetzen. Danach ist der GdS selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Berücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression nicht niedriger als 70 zu bewerten.
9.1.5 Fremdkörper im Herzmuskel oder Herzbeutel
reaktionslos eingeheilt 0
mit Beeinträchtigung der Herzleistung siehe oben
9.1.6 Rhythmusstörungen
Die Beurteilung des GdS richtet sich vor allem nach der Leistungsbeeinträchtigung des Herzens.
Anfallsweise auftretende hämodynamisch relevante Rhythmusstörungen (z. B. paroxysmale Tachykardien) je nach Häufigkeit, Dauer und subjektiver Beeinträchtigung
bei fehlender andauernder Leistungsbeeinträchtigung des Herzens 10-30
bei bestehender andauernder Leistungsbeeinträchtigung des Herzens sind sie entsprechend zusätzlich zu bewerten.
nach Implantation eines Herzschrittmachers 10
nach Implantation eines Kardioverter-Defibrillators wenigstens 50
bei ventrikulären tachykarden Rhythmusstörungen im Kindesalter ohne Implantation eines Kardioverter-Defibrillators wenigstens 60
9.2 Gefäßkrankheiten
9.2.1 Arterielle Verschlusskrankheiten, Arterienverschlüsse an den Beinen (auch nach rekanalisierenden Maßnahmen)
mit ausreichender Restdurchblutung, Pulsausfall ohne Beschwerden oder mit geringen Beschwerden (Missempfindungen in Wade und Fuß bei raschem Gehen) ein- oder beidseitig 0-10
mit eingeschränkter Restdurchblutung (Claudicatio intermittens) Stadium II
Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von mehr als 500 m 20
Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von 100 bis 500 m 30-40
Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von 50 bis 100 m 50-60
Schmerzen ein- oder beidseitig nach Gehen einer Wegstrecke in der Ebene von weniger als 50 m ohne Ruheschmerz 70-80
Schmerzen nach Gehen einer Wegstrecke unter 50 m mit Ruheschmerz (Stadium III) einschließlich trophischer Störungen (Stadium IV )
einseitig 80
beidseitig 90-100
Apparative Messmethoden (z. B. Dopplerdruck) können nur eine allgemeine Orientierung über den Schweregrad abgeben.
Bei Arterienverschlüssen an den Armen wird der GdS ebenfalls durch das Ausmaß der Beschwerden und Funktionseinschränkungen - im Vergleich mit anderen Schäden an den Armen - bestimmt.
9.2.2 Nach größeren gefäßchirurgischen Eingriffen (z. B. Prothesenimplantation) mit vollständiger Kompensation einschließlich
Dauerbehandlung mit Antikoagulantien 20
Arteriovenöse Fisteln
Der GdS richtet sich nach den hämodynamischen Auswirkungen am Herzen und/oder in der Peripherie.
Aneurysmen (je nach Sitz und Größe)
ohne lokale Funktionsstörung und ohne Einschränkung der Belastbarkeit 0-10
ohne oder mit nur geringer lokaler Funktionsstörung mit Einschränkung der Belastbarkeit 20-40
große Aneurysmen wenigstens 50
Hierzu gehören immer die dissezierenden Aneurysmen der Aorta und die großen Aneurysmen der Aorta abdominalis und der großen Beckenarterien.
9.2.3 Unkomplizierte Krampfadern 0
Chronisch-venöse Insuffizienz (z. B. bei Krampfadern), postthrombotisches Syndrom ein- oder beidseitig
mit geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen, ohne wesentliche Stauungsbeschwerden 0-10
mit erheblicher Ödembildung, häufig (mehrmals im Jahr) rezidivierenden Entzündungen 20-30
mit chronischen rezidivierenden Geschwüren, je nach Ausdehnung und Häufigkeit (einschließlich arthrogenes Stauungssyndrom) 30-50
Lymphödem
an einer Gliedmaße
ohne wesentliche Funktionsbehinderung, Erfordernis einer Kompressionsbandage 0-10
mit stärkerer Umfangsvermehrung (mehr als 3 cm) je nach Funktionseinschränkung 20-40
mit erheblicher Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Gliedmaße, je nach Ausmaß 50-70
bei Gebrauchsunfähigkeit der ganzen Gliedmaße 80
Entstellungen bei sehr ausgeprägten Formen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
9.3 Hypertonie (Bluthochdruck)
leichte Form
keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung (höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) 0-10
mittelschwere Form
mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades (Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I-II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie), diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mm Hg trotz Behandlung, je nach Leistungsbeeinträchtigung 20-40
schwere Form
mit Beteiligung mehrerer Organe (schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung 50-100
maligne Form
diastolischer Blutdruck konstant über 130 mm Hg; Fundus hypertonicus III-IV (Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen); unter Einschluss der Organbeteiligung (Herz, Nieren, Gehirn) 100
Funktionelle kardiovaskuläre Syndrome, (z. B. orthostatische Fehlregulation)
mit leichten Beschwerden 0
mit stärkeren Beschwerden und Kollapsneigung 10-20
10.
Verdauungsorgane
10.1 Speiseröhrenkrankheiten
Traktionsdivertikel je nach Größe und Beschwerden 0-10
Pulsionsdivertikel
ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Größe und Beschwerden 0-10
mit erheblicher Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Auswirkung auf den Allgemeinzustand 20-40
Funktionelle Stenosen der Speiseröhre (Ösophagospasmus, Achalasie)
ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme 0-10
mit deutlicher Behinderung der Nahrungsaufnahme 20-40
mit erheblicher Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige Aspiration 50-70
Auswirkungen auf Nachbarorgane (z. B. durch Aspiration) sind zusätzlich zu bewerten.
Organische Stenose der Speiseröhre (z. B. angeboren, nach Laugenverätzung, Narbenstenose, peptische Striktur)
ohne wesentliche Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Größe und Beschwerden 0-10
mit deutlicher Behinderung der Nahrungsaufnahme je nach Auswirkung (Einschränkung der Kostform, verlängerte Essdauer) 20-40
mit erheblicher Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes 50-70
Refluxkrankheit der Speiseröhre
mit anhaltenden Refluxbeschwerden je nach Ausmaß 10-30
Auswirkungen auf Nachbarorgane sind zusätzlich zu bewerten.
Nach Entfernung eines malignen Speiseröhrentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten. GdS während dieser Zeit
je nach Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes 80-100
Speiseröhrenersatz
Der GdS ist nach den Auswirkungen (z. B. Schluckstörungen, Reflux, Narben) jedoch nicht unter 20 zu bewerten.
10.2 Magen- und Darmkrankheiten
Bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals ist der GdS nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Bei allergisch bedingten Krankheiten ist auch die Vermeidbarkeit der Allergene von Bedeutung.
10.2.1 Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwürsleiden (chronisch rezidivierende Geschwüre, Intervallbeschwerden)
mit Rezidiven in Abständen von zwei bis drei Jahren 0-10
mit häufigeren Rezidiven und Beeinträchtigung des Ernährungs- und Kräftezustandes 20-30
mit erheblichen Komplikationen (z. B. Magenausgangsstenose) und andauernder erheblicher Minderung des Ernährungs- und Kräftezustandes 40-50
Nach einer selektiven proximalen Vagotomie kommt ein GdS nur in Betracht, wenn postoperative Darmstörungen oder noch Auswirkungen des Grundleidens vorliegen.
Chronische Gastritis (histologisch gesicherte Veränderung der Magenschleimhaut) 0-10
Reizmagen (funktionelle Dyspepsie) 0-10
Teilentfernung des Magens, Gastroenterostomie
mit guter Funktion, je nach Beschwerden 0-10
mit anhaltenden Beschwerden (z. B. Dumping-Syndrom, rezidivierendes Ulcus jejuni pepticum) 20-40
Totalentfernung des Magens
ohne Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes je nach Beschwerden 20-30
bei Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes und/oder Komplikationen (z. B. Dumping-Syndrom) 40-50
Nach Entfernung eines malignen Magentumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren nach Entfernung eines Magenfrühkarzinoms 50
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren nach Entfernung aller anderen malignen Magentumoren je
nach Stadium und Auswirkung auf den Allgemeinzustand 80-100
10.2.2 Chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion)
ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen 0-10
mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z. B. Durchfälle, Spasmen) 20-30
mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes 40-50
Angeborene Motilitätsstörungen des Darmes (z. B. Hirschsprung-Krankheit, neuronale Dysplasie)
ohne wesentliche Gedeih- und Entwicklungsstörung 10-20
mit geringer Gedeih- und Entwicklungsstörung 30-40
mit mittelgradiger Gedeih- und Entwicklungsstörung 50
mit schwerer Gedeih- und Entwicklungsstörung 60-70
Kurzdarmsyndrom im Kindesalter
mit mittelschwerer Gedeih- und Entwicklungsstörung 50-60
mit schwerer Gedeih- und Entwicklungsstörung (z. B. Notwendigkeit künstlicher Ernährung) 70-100
Colitis ulcerosa, Crohn-Krankheit (Enteritis regionalis)
mit geringer Auswirkung (geringe Beschwerden, keine oder geringe Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, selten Durchfälle) 10-20
mit mittelschwerer Auswirkung (häufig rezidivierende oder länger anhaltende Beschwerden, geringe bis mittelschwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufiger Durchfälle) 30-40
mit schwerer Auswirkung (anhaltende oder häufig rezidivierende erhebliche Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, häufige, tägliche, auch nächtliche Durchfälle) 50-60
mit schwerster Auswirkung (häufig rezidivierende oder anhaltende schwere Beschwerden, schwere Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes, ausgeprägte Anämie) 70-80
Fisteln, Stenosen, postoperative Folgezustände (z. B. Kurzdarmsyndrom, Stoma-komplikationen), extraintestinale Manifestationen (z. B. Arthritiden), bei Kindern auch Wachstums- und Entwicklungsstörungen, sind zusätzlich zu bewerten.
Zöliakie, Sprue
ohne wesentliche Folgeerscheinungen unter diätetischer Therapie 20
bei andauerndem, ungenügendem Ansprechen auf glutenfreie Kost (selten) sind - je nach Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustands - höhere Werte angemessen.
Nach Entfernung maligner Darmtumoren ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren
nach Entfernung eines malignen Darmtumors im Stadium (T1 bis T2) N0 M0 oder von lokalisierten Darmkarzinoiden 50
mit künstlichem After (nicht nur vorübergehend angelegt) 70-80
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren
nach Entfernung anderer maligner Darmtumoren wenigstens 80
mit künstlichem After (nicht nur vorübergehend angelegt) 100
10.2.3 Bauchfellverwachsungen
ohne wesentliche Auswirkung 0-10
mit erheblichen Passagestörungen 20-30
mit häufiger rezidivierenden Ileuserscheinungen 40-50
10.2.4 Hämorrhoiden
ohne erhebliche Beschwerden, geringe Blutungsneigung 0-10
mit häufigen rezidivierenden Entzündungen, Thrombosierungen oder stärkeren Blutungen 20
Mastdarmvorfall
klein, reponierbar 0-10
sonst 20-40
Afterschließmuskelschwäche
mit seltenem, nur unter besonderen Belastungen auftretendem, unwillkürlichem Stuhlabgang 10
sonst 20-40
Funktionsverlust des Afterschließmuskels wenigstens 50
Fistel in der Umgebung des Afters
geringe, nicht ständige Sekretion 10
sonst 20-30
Künstlicher After
mit guter Versorgungsmöglichkeit 50
sonst (z. B. bei Bauchwandhernie, Stenose, Retraktion, Prolaps, Narben, ungünstige Position) 60-80
Bei ausgedehntem Mastdarmvorfall, künstlichem After oder stark sezernierenden Kotfisteln, die zu starker Verschmutzung führen, sind ggf. außergewöhnliche seelische Begleiterscheinungen zusätzlich zu berücksichtigen.
10.3 Krankheiten der Leber, Gallenwege und Bauchspeicheldrüse
Der GdS für Krankheiten der Leber, der Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse wird bestimmt durch die Art und Schwere der Organveränderungen sowie der Funktionseinbußen, durch das Ausmaß der Beschwerden, die Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes und die Notwendigkeit einer besonderen Kostform. Der serologische Nachweis von Antikörpern als Nachweis einer durchgemachten Infektion (Seronarbe) rechtfertigt allein noch keinen GdS.
10.3.1 Chronische Hepatitis
Unter dem Begriff „chronische Hepatitis" werden alle chronischen Verlaufsformen von Hepatitiden zusammengefasst (früher: „chronische Hepatitis ohne Progression" <chronisch-persistierende Hepatitis> und „chronische Hepatitis mit Progression" <chronisch aktive Hepatitis> Dazu gehören insbesondere die Virus-, die Autoimmun-, die Arzneimittel- und die kryptogene Hepatitis.
Die gutachtliche Beurteilung einer chronischen Hepatitis beruht auf dem klinischen Befund einschließlich funktionsrelevanter Laborparameter, auf der Ätiologie sowie auf dem histopathologischen Nachweis des Grades der nekroinflammatorischen Aktivität (Grading) und des Stadiums der Fibrose (Staging). Zusätzlich sind engmaschige Verlaufskontrollen und die Beachtung der Differentialdiagnose erforderlich. Dies gilt auch für geltend gemachte Verschlimmerungen im Leidensverlauf. Der GdS und die Leidensbezeichnung ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle, wobei bereits übliche Befindlichkeitsstörungen - nicht aber extrahepatische Manifestationen - berücksichtigt sind.
Chronische Hepatitis
ohne (klinisch-) entzündliche Aktivität 20
ehemals: chronische Hepatitis ohne Progression
mit geringer (klinisch-) entzündlicher Aktivität 30
ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, gering entzündliche Aktivität
mit mäßiger (klinisch-) entzündlicher Aktivität 40
ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, mäßig entzündliche Aktivität
mit starker (klinisch-) entzündlicher Aktivität
ehemals: chronische Hepatitis mit Progression, stark entzündliche Aktivität
je nach Funktionsstörung 50-70
Alleinige Virus-Replikation („gesunder Virusträger") 10
bei Hepatitis-C-Virus nur nach histologischem Ausschluss einer Hepatitis.
Bei Vorliegen eines histologischen Befundes gelten für die Virus-Hepatitiden folgende Besonderheiten:
Die histopathologische Bewertung der chronischen Virushepatitis umfasst die nekroinflammatorische Aktivität (Grading) und den Grad der Fibrose (Staging). Der GdS ergibt sich aus folgender Tabelle, wobei die genannten GdS-Werte die üblichen klinischen Auswirkungen mit umfassen.
nekro-inflammatorische Aktivität Fibrose
null - gering mäßig stark
gering 20 20 30
mäßig 30 40 40
stark 50 60 70
Anmerkung:
Die Auswertung des histologischen Befundes soll sich an dem modifizierten histologischen Aktivitätsindex (HAI) ausrichten. Eine geringe nekro-inflammatorische Aktivität entspricht einer Punktzahl von 1 bis 5, eine mäßige nekro-inflammatorische Aktivität einer Punktzahl von 6 bis 10 und eine starke nekro-inflammatorische Aktivität einer Punktzahl von 11 bis 18. Eine fehlende bzw. geringe Fibrose entspricht einer Punktzahl 0 bis 2, eine mäßige Fibrose der Punktzahl 3 und eine starke Fibrose einer Punktzahl von 4 bis 5.
Für die Virushepatitis C gelten bei fehlender Histologie im Hinblick auf die chemischen Laborparameter folgende Besonderheiten:
ALAT-/GPT-Werte im Referenzbereich entsprechen bei nachgewiesener Hepatitis-C-Virus-Replikation einer chronischen Hepatitis ohne (klinisch-) entzündliche Aktivität.
ALAT-/GPT-Werte bis zum 3-fachen der oberen Grenze des Referenzbereichs entsprechen einer geringen (klinisch-) entzündlichen Aktivität
ALAT-/GPT-Werte vom 3-fachen bis zum 6-fachen der oberen Grenze des Referenzbereichs entsprechen einer mäßigen (klinisch-) entzündlichen Aktivität
ALAT-/GPT-Werte von mehr als dem 6-fachen der oberen Grenze des Referenzbereichs entsprechen einer starken (klinisch-) entzündlichen Aktivität
Diese Bewertungen sind nur zulässig, wenn sie sich in das klinische Gesamtbild des bisherigen Verlaufs einfügen.
10.3.2 Fibrose der Leber ohne Komplikationen 0-10
Leberzirrhose
kompensiert
inaktiv 30
gering aktiv 40
stärker aktiv 50
dekompensiert (Aszites, portale Stauung, hepatische Enzephalopathie) 60-100
10.3.3 Fettleber (auch nutritiv-toxisch) ohne Mesenchymreaktion 0-10
Toxischer Leberschaden
Der GdS ist je nach Aktivität und Verlauf analog zur chronischen Hepatitis oder Leberzirrhose zu beurteilen.
Zirkulatorische Störungen der Leber (z. B. Pfortaderthrombose)
Der GdS ist analog zur dekompensierten Leberzirrhose zu beurteilen.
Nach Leberteilresektion ist der GdS allein davon abhängig, ob und wieweit Funktionsbeeinträchtigungen verblieben sind.
10.3.4 Nach Entfernung eines malignen primären Lebertumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit 100
Nach Lebertransplantation ist eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); GdS während dieser Zeit 100. Danach selbst bei günstigem Heilungsverlauf unter Berücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression wenigstens 60
10.3.5 Primäre biliäre Zirrhose, primäre sklerosierende Cholangitis
GdS ist je nach Aktivität und Verlauf analog zur chronischen
Hepatitis oder Leberzirrhose zu beurteilen.
Gallenblasen- und Gallenwegskrankheiten (Steinleiden, chronisch rezidivierende Entzündungen)
mit Koliken in Abständen von mehreren Monaten, Entzündungen in Abständen von Jahren 0-10
mit häufigeren Koliken und Entzündungen sowie mit Intervallbeschwerden 20-30
mit langanhaltenden Entzündungen oder mit Komplikationen 40-50
Angeborene intra- und extrahepatische Transportstörungen der Galle (z. B. intra-, extrahepatische Gallengangsatresie), metabolische Defekte (z. B. Meulengracht-Krankheit)
ohne Funktionsstörungen, ohne Beschwerden 0-10
mit Beschwerden (Koliken, Fettunverträglichkeit, Juckreiz),
ohne Leberzirrhose 20-40
mit Leberzirrhose 50
mit dekompensierter Leberzirrhose 60-100
Folgezustände sind zusätzlich zu bewerten.
Verlust der Gallenblase ohne wesentliche Störungen 0
bei fortbestehenden Beschwerden wie bei Gallenwegskrankheiten
Nach Entfernung eines malignen Gallenblasen-, Gallenwegs- oder Papillentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
bei Gallenblasen- und Gallenwegstumor 100
bei Papillentumor 80
10.3.6 Chronische Krankheit der Bauchspeicheldrüse (exkretorische Funktion) je nach Auswirkung auf den Allgemeinzustand, Häufigkeit und Ausmaß der Schmerzen
ohne wesentlichen Beschwerden, keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes 0-10
geringe bis erhebliche Beschwerden, geringe bis mäßige Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes 20-40
starke Beschwerden, Fettstühle, deutliche bis ausgeprägte Herabsetzung des Kräfte- und Ernährungszustandes 50-80
Nach teilweiser oder vollständiger Entfernung der Bauchspeicheldrüse sind ggf. weitere Funktionsbeeinträchtigungen (z. B. bei Diabetes mellitus, Osteopathie, oder infolge chronischer Entzündungen der Gallenwege, Magenteilentfernung und Milzverlust) zusätzlich zu berücksichtigen.
Nach Entfernung eines malignen Bauchspeicheldrüsentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit 100.
11.
Brüche (Hernien)
11.1 Leisten- oder Schenkelbruch je nach Größe und Reponierbarkeit
ein- oder beidseitig 0-10
bei erheblicher Einschränkung der Belastungsfähigkeit 20
11.2 Nabelbruch oder Bruch in der weißen Linie 0-10
Bauchnarbenbruch, angeborene Bauchwandbrüche und -defekte
ohne wesentliche Beeinträchtigung, je nach Größe 0-10
mit ausgedehnter Bauchwandschwäche und fehlender oder stark eingeschränkter Bauchpresse 20
mit Beeinträchtigung der Bauchorgane bei Passagestörungen ohne erhebliche Komplikationen 20-30
bei häufigen rezidivierenden Ileuserscheinungen 40-50
Bei schweren angeborenen Bauchwanddefekten mit entspechender Beeinträchtigung der Bauch- und Brustorgane kommt auch ein höherer GdS in Betracht.
11.3 Zwerchfellbrüche (einschl. Zwerchfellrelaxation)
Speiseröhrengleithernie 0-10
andere kleine Zwerchfellbrüche ohne wesentliche Funktionsstörung 0-10
größere Zwerchfellbrüche je nach Funktionsstörung 20-30
Komplikationen sind zusätzlich zu bewerten.
Angeborene Zwerchfelldefekte mit Verlagerung von inneren Organen in den Brustkorb und Minderentwicklung von Lungengewebe
mit geringer Einschränkung der Lungenfunktion 40
sonst je nach Funktionsbeeinträchtigung der betroffenen Organe 50-100
12.
Harnorgane
Die Beurteilung des GdS bei Schäden der Harnorgane richtet sich nach dem Ausmaß der Störungen der inkretorischen und exkretorischen Nierenfunktion und/oder des Harntransportes, das durch spezielle Untersuchungen zu erfassen ist.
Daneben sind die Beteiligung anderer Organe (z. B. Herz/Kreislauf, Zentralnervensystem, Skelettsystem), die Aktivität eines Entzündungsprozesses, die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die notwendige Beschränkung in der Lebensführung zu berücksichtigen.
Unter dem im Folgenden verwendeten Begriff „Funktionseinschränkung der Nieren" ist die Retention harnpflichtiger Substanzen zu verstehen.
12.1 Nierenschäden
12.1.1 Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere bei Gesundheit der
anderen Niere 25
Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere bei Schaden der anderen Niere, ohne Einschränkung der Nierenfunktion, mit krankhaftem Harnbefund 30
Nierenfehlbildung (z. B. Erweiterung des Nierenhohlsystems bei Ureterabgangsstenose, Nierenhypoplasie, Zystennieren, Nierenzysten, Beckenniere), Nephroptose
ohne wesentliche Beschwerden und ohne Funktionseinschränkung 0-10
mit wesentlichen Beschwerden und ohne Funktionseinschränkung 20-30
Nierensteinleiden ohne Funktionseinschränkung der Niere
mit Koliken in Abständen von mehreren Monaten 0-10
mit häufigeren Koliken, Intervallbeschwerden und wiederholten Harnwegsinfekten 20-30
Nierenschäden ohne Einschränkung der Nierenfunktion (z. B. Glomerulopathien, tubulointerstitielle Nephropathien, vaskuläre Nephropathien), ohne Beschwerden, mit krankhaftem Harnbefund (Eiweiß und/oder Erythrozyten- bzw. Leukozytenausscheidung) 0-10
12.1.2 Nierenschäden ohne Einschränkung der Nierenfunktion, mit Beschwerden rezidivierende Makrohämaturie, je nach Häufigkeit 10-30
Nephrotisches Syndrom
kompensiert (keine Ödeme) 20-30
dekompensiert (mit Ödemen) 40-50
bei Systemerkrankungen mit Notwendigkeit einer immunsuppressiven Behandlung 50
12.1.3 Nierenschäden mit Einschränkung der Nierenfunktion
Eine geringfügige Einschränkung der Kreatininclearance auf 50-80 ml/min bei im Normbereich liegenden Serumkreatininwerten bedingt keinen messbaren GdS.
Nierenfunktionseinschränkung
leichten Grades
(Serumkreatininwerte unter 2 mg/dl [Kreatininclearance ca. 35-50 ml/min], Allgemeinbefinden nicht oder nicht wesentlich reduziert, keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit) 20-30
(Serumkreatininwerte andauernd zwischen 2 und 4 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden wenig reduziert, leichte Einschränkung der Leistungsfähigkeit) 40
mittleren Grades
(Serumkreatininwerte andauernd zwischen 4 und 8 mg/dl erhöht, Allgemeinbefinden stärker beeinträchtigt, mäßige Einschränkung der Leistungsfähigkeit) 50-70
schweren Grades
(Serumkreatininwerte dauernd über 8 mg/dl, Allgemeinbefinden stark gestört, starke Einschränkung der Leistungsfähigkeit, bei Kindern keine normalen Schulleistungen mehr) 80-100
Verlust, Ausfall oder Fehlen einer Niere mit Funktionseinschränkung der anderen Niere
leichten Grades 40-50
mittleren Grades 60-80
schweren Grades 90-100
Notwendigkeit der Dauerbehandlung mit Blutreinigungsverfahren (z. B. Hämodialyse, Peritonealdialyse) 100
Bei allen Nierenschäden mit Funktionseinschränkungen sind Sekundärleiden (z. B. Hypertonie, ausgeprägte Anämie [Hb-Wert unter 8 g/dl], Polyneuropathie, Osteopathie) zusätzlich zu bewerten.
12.1.4 Nach Nierentransplantation ist eine Heilungsbewährung abzuwarten (im Allgemeinen zwei Jahre); während dieser Zeit ist ein GdS von 100 anzusetzen. Danach ist der GdS entscheidend abhängig von der verbliebenen Funktionsstörung; unter Mitberücksichtigung der erforderlichen Immunsuppression ist jedoch der GdS nicht niedriger als 50 zu bewerten.
Nach Entfernung eines malignen Nierentumors oder Nierenbeckentumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren
nach Entfernung eines Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom) im Stadium T1 N0 M0 (Grading G1) 50
nach Entfernung eines Nierenbeckentumors im Stadium Ta N0 M0 (Grading G1) 50
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren nach Entfernung eines Nierenzellkarzinoms (Hypernephrom)
im Stadium (T1 [Grading ab G2], T2) N0 M0 60
in höheren Stadien wenigstens 80
nach Entfernung eines Nierenbeckentumors
im Stadium (T1 bis T2) N0 M0 60
in höheren Stadien wenigstens 80
nach Entfernung eines Nephroblastoms
im Stadium I und II 60
in höheren Stadien wenigstens 80
12.2 Schäden der Harnwege
12.2.1 Chronische Harnwegsentzündungen (insbesondere chronische Harnblasenentzündung)
leichten Grades (ohne wesentliche Miktionsstörungen) 0-10
stärkeren Grades
(mit erheblichen und häufigen Miktionsstörungen) 20-40
chronische Harnblasenentzündung mit Schrumpfblase
(Fassungsvermögen unter 100 ml, Blasentenesmen) 50-70
12.2.2 Bei Entleerungsstörungen der Blase (auch durch Harnröhrenverengung) sind Begleiterscheinungen (z. B. Hautschäden, Harnwegsentzündungen) ggf. zusätzlich zu bewerten.
Entleerungsstörungen der Blase
leichten Grades
(z. B. geringe Restharnbildung, längeres Nachträufeln) 10
stärkeren Grades
(z. B. Notwendigkeit manueller Entleerung, Anwendung eines Blasenschrittmachers, erhebliche Restharnbildung, schmerzhaftes Harnlassen) 20-40
mit Notwendigkeit regelmäßigen Katheterisierens, eines Dauerkatheters, eines suprapubischen Blasenfistelkatheters oder Notwendigkeit eines Urinals, ohne wesentliche Begleiterscheinungen 50
12.2.3 Nach Entfernung eines malignen Blasentumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren nach
Entfernung des Tumors im Frühstadium unter Belassung der Harnblase (Ta bis T1) N0 M0, Grading G1 50
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren
nach Entfernung im Stadium Tis oder T1 (Grading ab G2) 50
nach Entfernung in den Stadien (T2 bis T3a) N0 M0 60
mit Blasenentfernung einschließlich künstlicher Harnableitung 80
nach Entfernung in höheren Stadien 100
12.2.4 Harninkontinenz
relative
leichter Harnabgang bei Belastung (z. B. Stressinkontinenz Grad I) 0-10
Harnabgang tags und nachts (z. B. Stressinkontinenz Grad II-III) 20-40
völlige Harninkontinenz 50
bei ungünstiger Versorgungsmöglichkeit 60-70
nach Implantation einer Sphinkterprothese mit guter Funktion 20
Harnröhren-Hautfistel der vorderen Harnröhre bei Harnkontinenz 10
Harnweg-Darmfistel bei Analkontinenz, je nach Luft- und Stuhlentleerung über die Harnröhre 30-50
Künstliche Harnableitung (ohne Nierenfunktionsstörung)
in den Darm 30
nach außen
mit guter Versorgungsmöglichkeit 50
sonst (z. B. bei Stenose, Retraktion, Abdichtungsproblemen) 60-80
Darmneoblase mit ausreichendem Fassungsvermögen, ohne Harnstau, ohne wesentliche Entleerungsstörungen 30
13.
Männliche Geschlechtsorgane
13.1 Verlust des Penis
Teilverlust des Penis 50
Teilverlust der Eichel 10
Verlust der Eichel 20
Sonst 30-40
Nach Entfernung eines malignen Penistumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit nach Entfernung im Frühstadium (T1 bis T2) N0 M0
bei Teilverlust des Penis 50
bei Verlust des Penis 60
mit vollständiger Entfernung der Corpora cavernosa 80
nach Entfernung in höheren Stadien 90-100
13.2 Unterentwicklung, Verlust oder Schwund eines Hodens bei intaktem anderen Hoden 0
Unterentwicklung, Verlust oder vollständiger Schwund beider Hoden
in höherem Lebensalter (etwa ab 8. Lebensjahrzehnt) 10
sonst je nach Ausgleichbarkeit des Hormonhaushalts durch Substitution 20-30
vor Abschluss der körperlichen Entwicklung 20-40
Verlust oder Schwund eines Nebenhodens 0
Verlust oder vollständiger Schwund beider Nebenhoden und/oder Zeugungsunfähigkeit (Impotentia generandi) 0
in jüngerem Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch 20
Impotentia coeundi bei nachgewiesener erfolgloser Behandlung 20
13.3 Hydrozele (sog. Wasserbruch) 0-10
Varikozele (sog. Krampfaderbruch) 0-10
13.4 Nach Entfernung eines malignen Hodentumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren
nach Entfernung eines Seminoms oder nichtseminomatösen
Tumors im Stadium (T1 bis T2) N0 M0 50
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren nach Entfernung
eines Seminoms im Stadium (T1 bis T2) N1 M0 bzw. T3 N0 M0 50
nach Entfernung eines nichtseminomatösen Tumors im Stadium (T1 bis T2) N1 M0 bzw. T3 N0 M0 60
in höheren Stadien 80
13.5 Chronische bakterielle Entzündung der Vorsteherdrüse oder abakterielle Prostatopathie
ohne wesentliche Miktionsstörung 0-10
mit andauernden Miktionsstörungen und Schmerzen 20
Prostataadenom
Der GdS richtet sich nach den Harnentleerungsstörungen und der Rückwirkung auf die Nierenfunktion.
13.6 Nach Entfernung eines malignen Prostatatumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren
nach Entfernung im Stadium T1a N0 M0 (Grading G1) 50
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren
nach Entfernung in den Stadien T1a N0 M0 (Grading ab G2) und (T1b bis T2) N0 M0 50
nach Entfernung in höheren Stadien wenigstens 80
Maligner Prostatatumor
ohne Notwendigkeit einer Behandlung 50
auf Dauer hormonbehandelt wenigstens 60
14.
Weibliche Geschlechtsorgane
14.1 Verlust der Brust (Mastektomie)
einseitig 30
beidseitig 40
Segment- oder Quadrantenresektion der Brust 0-20
Funktionseinschränkungen im Schultergürtel, des Armes oder der Wirbelsäule als Operations- oder Bestrahlungsfolgen (z. B. Lymphödem, Muskeldefekte, Nerven-läsionen, Fehlhaltung) sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust mit Prothese je nach Ergebnis (z. B. Kapselfibrose, Dislokation der Prothese, Symmetrie)
nach Mastektomie
einseitig 10-30
beidseitig 20-40
nach subkutaner Mastektomie
einseitig 10-20
beidseitig 20-30
Nach Aufbauplastik zur Wiederherstellung der Brust mit Eigengewebe kommt ein geringerer GdS in Betracht.
Nach Entfernung eines malignen Brustdrüsentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während dieser Zeit
bei Entfernung im Stadium (T1 bis T2) pN0 M0 50
bei Entfernung im Stadium (T1 bis T2) pN1 M0 60
in höheren Stadien wenigstens 80
Bedingen die Folgen der Operation und gegebenenfalls anderer Behandlungsmaßnahmen einen GdS von 50 oder mehr, ist der während der Heilungsbewährung anzusetzende GdS entsprechend höher zu bewerten.
Nach Entfernung eines Carcinoma in situ der Brustdrüse ist in den ersten zwei Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der GdS beträgt während dieser Zeit 50.
14.2 Verlust der Gebärmutter und/oder Sterilität 0
in jüngerem Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch 20
Nach Entfernung eines malignen Gebärmuttertumors ist eine Heilungsbewährung abzuwarten.
GdS während einer Heilungsbewährung von zwei Jahren nach Entfernung eines Zervixtumors (Mikrokarzinom) im Stadium T1a N0 M0 50
nach Entfernung eines Korpustumors im Frühstadium (Grading G1, Infiltration höchstens des inneren Drittels des Myometrium) 50
GdS während einer Heilungsbewährung von fünf Jahren
nach Entfernung eines Zervixtumors
im Stadium (T1b bis T2a) N0 M0 50
im Stadium T2b N0 M0 60
in höheren Stadien 80
nach Entfernung eines Korpustumors
im Stadium T1 N0 M0 (Grading ab G2, Infiltration über das innere Drittel des Myometrium hinaus) 50
im Stadium T2 N0 M0 60
in höheren Stadien 80
14.3 Verlust eines Eierstockes 0
Unterentwicklung, Verlust oder Ausfall beider Eierstöcke, ohne Kinderwunsch und ohne wesentliche Auswirkung auf
den Hormonhaushalt - immer in der Postmenopause 10
im jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch oder bei unzureichender Ausgleichbarkeit des Hormonausfalls durch Substitution 20-30
vor Abschluss der körperlichen Entwicklung je nach Ausgleichbarkeit des Hormonausfalls 20-40
Endokrin bedingte Funktionsstörungen der Eierstöcke sind gut behandelbar, so dass im Allgemeinen anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Selten auftretende Komplikationen (z. B. Sterilität, abnormer Haarwuchs) sind gesondert zu beurteilen.
Nach Entfernung eines malignen Eierstocktumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
nach Entfernung im Stadium T1 N0 M0 50
in anderen Stadien 80
14.4 Chronischer oder chronisch-rezidivierender entzündlicher Prozess der Adnexe und/oder der Parametrien je nach Art, Umfang und Kombination der Auswirkungen (z. B. Adhäsionsbeschwerden, chronische Schmerzen, Kohabitationsbeschwerden) 10-40
14.5 Endometriose
leichten Grades
(geringe Ausdehnung, keine oder nur geringe Beschwerden) 0-10
mittleren Grades 20-40
schweren Grades
(z. B. Übergreifen auf die Nachbarorgane, starke Beschwerden, erhebliche Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, Sterilität) 50-60
14.6 Scheidenfisteln
Harnweg-Scheidenfistel 50-60
Mastdarm-Scheidenfistel 60-70
Harnweg-Mastdarm-Scheidenfistel (Kloakenbildung) 100
Fisteln mit geringer funktioneller Beeinträchtigung sind entsprechend niedriger zu bewerten.
Senkung der Scheidenwand, Vorfall der Scheide und/oder der Gebärmutter
ohne Harninkontinenz oder mit geringer Stressinkontinenz (Grad I) 0-10
mit stärkerer Harninkontinenz und/oder stärkeren Senkungsbeschwerden 20-40
mit völliger Harninkontinenz 50-60
bei ungünstiger Versorgungsmöglichkeit 70
Ulzerationen sind ggf. zusätzlich zu bewerten.
Isolierte Senkung der Scheidenhinterwand mit leichten Defäkationsstörungen 0-10
Scheiden-Gebärmutteraplasie, ohne Plastik, nach Vollendung des 14. Lebensjahres (einschließlich Sterilität) 40
Kraurosis vulvae
geringen Grades (keine oder nur geringe Beschwerden) 0-10
mäßigen Grades (erhebliche Beschwerden, keine Sekundärveränderungen) 20-30
stärkeren Grades (starke Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Sekundärveränderungen) 40
Vollständige Entfernung der Vulva 40
Nach Beseitigung eines malignen Scheidentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
nach Beseitigung im Stadium T1 N0 M0 60
in höheren Stadien 80
Nach Entfernung eines malignen Tumors der äußeren Geschlechtsteile ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
nach Entfernung im Stadium (T1 bis T2) N0 M0 50
sonst 80
15.
Stoffwechsel, innere Sekretion
In diesem Abschnitt nicht erwähnte angeborene Stoffwechselstörungen sind analog und unter Berücksichtigung ihrer vielfältigen Auswirkungen zu beurteilen. Normabweichungen der Laborwerte bedingen für sich allein noch keinen GdS.
15.1 Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus)
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie regelhaft keine Hypoglykämie auslösen kann und die somit in der Lebensführung kaum beeinträchtigt sind, erleiden auch durch den Therapieaufwand keine Teilhabebeeinträchtigung, die die Feststellung eines GdS rechtfertigt. Der GdS beträgt 0.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann und die durch Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden durch den Therapieaufwand eine signifikante Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 20.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen.
15.2 Gicht
Bei der Beurteilung des GdS sind die Funktionseinschränkungen der betroffenen Gelenke, Schmerzen, Häufigkeit und Schwere der entzündlichen Schübe und eine Beteiligung der inneren Organe zu berücksichtigen.
15.3 Fettstoffwechselkrankheit
Der GdS ist grundsätzlich abhängig von dem Ausmaß der Folgekrankheiten.
Bei Notwendigkeit einer LDL-Apherese 30
Alimentäre Fettsucht, Adipositas
Die Adipositas allein bedingt keinen GdS. Nur Folge- und Begleitschäden (insbesondere am kardiopulmonalen System oder am Stütz- und Bewegungsapparat) können die Annahme eines GdS begründen. Gleiches gilt für die besonderen funktionellen Auswirkungen einer Adipositas permagna.
15.4 Phenylketonurie
ohne fassbare Folgeerscheinungen
im Kindesalter bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres 30
danach bei Notwendigkeit weiterer Diäteinnahme 10
Beim Vorliegen eines Hirnschadens ist der GdS vor allem vom Ausmaß der geistigen Behinderung und weiterer Folgen (z. B. hirnorganische Anfälle) abhängig.
15.5 Mukoviszidose (zystische Fibrose)
unter Therapie Aktivitäten, Gedeihen und Ernährung altersgemäß 20
unter Therapie Aktivitäten und Lungenfunktion leicht eingeschränkt, Gedeihen und Ernährung noch altersgemäß 30-40
Aktivitäten und Lungenfunktion deutlich eingeschränkt, häufig Gedeih- und Entwicklungsstörungen, Schulbesuch und Erwerbstätigkeit in der Regel noch möglich 50-70
schwere bis schwerste Einschränkung der Aktivitäten, der Lungenfunktion und des Ernährungszustandes 80-100
Folgekrankheiten (z. B. Diabetes mellitus, Impotenz, Leberzirrhose) sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
15.6 Schilddrüsenkrankheiten
Schilddrüsenfunktionsstörungen sind gut behandelbar, so dass in der Regel anhaltende Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Selten auftretende Organkomplikationen (z. B. Exophthalmus, Trachealstenose) sind gesondert zu beurteilen. Bei der nicht operativ behandelten Struma richtet sich der GdS nach den funktionellen Auswirkungen.
Nach Entfernung eines malignen Schilddrüsentumors ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten; GdS während dieser Zeit
nach Entfernung eines papillären oder follikulären Tumors, ohne Lymphknotenbefall 50
sonst 80
Bedingt der nach der Entfernung verbliebene Organschaden einen GdS von 50 oder mehr, ist der während der Heilungsbewährung anzusetzende GdS entsprechend höher zu bewerten.
Tetanie
Sie ist gut behandelbar, so dass in der Regel dauernde Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind.
15.7 Chronische Nebennierenrindeninsuffizienz (Addison-Syndrom)
Sie ist gut behandelbar, so dass in der Regel dauernde Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Selten auftretende Funktionsstörungen sind analogen funktionellen Beeinträchtigungen (z. B. orthostatische Fehlregulation) entsprechend zu beurteilen.
Cushing-Syndrom
Der GdS wird bestimmt von der Muskelschwäche und den Auswirkungen an den verschiedenen Organsystemen (Hypertonie, Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus, Osteoporose, psychische Veränderungen).
15.8 Porphyrien
Erythropoetische Porphyrie (Günther-Krankheit) 100
Hepatische Porphyrien
akut-intermittierende Porphyrie 30
Porphyria cutanea tarda ohne wesentliche Beschwerden 10
Organkomplikationen sind jeweils zusätzlich zu berücksichtigen.
16.
Blut, blutbildende Organe, Immunsystem
Die Höhe des GdS bei Krankheiten des Blutes, der blutbildenden Organe und des Immunsystems richtet sich nach der Schwere der hämatologischen Veränderungen, nach den Organfunktionsstörungen, nach den Rückwirkungen auf andere Organe, nach der Auswirkung auf den Allgemeinzustand und der Häufigkeit von Infektionen.
16.1 Verlust der Milz
bei Verlust im frühen Kindesalter, dann bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres 20
danach oder bei späterem Verlust 10
16.2 Hodgkin-Krankheit
im Stadium I bis IIIA
bei mehr als sechs Monate andauernder Therapie, bis zum Ende der Intensiv-Therapie je nach Auswirkung auf den Allgemeinzustand 60-100
nach Vollremission GdS für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung) 50
im Stadium IIIB und IV
bis zum Ende der Intensiv-Therapie 100
nach Vollremission GdS für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung) 60
16.3 Non-Hodgkin-Lymphome
16.3.1 Chronische lymphatische Leukämie und andere generalisierte niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome
mit geringen Auswirkungen (keine wesentlichen Beschwerden, keine Allgemeinsymptome, keine Behandlungsbedürftigkeit, keine wesentliche Progredienz) 30-40
mit mäßigen Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit) 50-70
mit starken Auswirkungen, starke Progredienz (z. B. schwere Anämie, ausgeprägte Thrombozytopenie, rezidivierende Infektionen, starke Milzvergrößerung) 80-100
Lokalisierte niedrigmaligne Non-Hodgkin-Lymphome
nach Vollremission (Beseitigung des Tumors) für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung) 50
16.3.2 Hochmaligne Non-Hodgkin-Lymphome
bis zum Ende der Intensiv-Therapie 100
nach Vollremission GdS für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung) 80
16.4 Plasmozytom (Myelom)
mit geringen Auswirkungen (keine wesentliche Auswirkung auf den Allgemeinzustand, keine Behandlungsbedürftigkeit, ohne Beschwerden, keine wesentliche Progredienz) 30-40
mit mäßigen Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit) 50-70
mit starken Auswirkungen (z. B. schwere Anämie, starke Schmerzen, Nierenfunktionseinschränkung) 80-100
16.5 Myeloproliferative und myelodysplastische/myeloproliferative Neoplasien
Auswirkungen auf andere Organsysteme sind zusätzlich zu bewerten.
16.5.1 Chronische myeloische Leukämie, BCR/ABL-positiv
Im Stadium der kompletten hämatologischen, kompletten zytogenetischen und molekularen Remission beträgt der GdS 10 – 20.
Im Stadium der kompletten hämatologischen Remission je nach Ausmaß der zytogenetischen Remission beträgt der GdS 30 – 40.
Im chronischen Stadium, auch bei Krankheitsbeginn (im ersten Jahr der Therapie), bei fehlender Remission oder bei Rezidiv je nach Organvergrößerung, Anämie, Thrombozytenzahl und in Abhängigkeit von der Intensität der Therapie beträgt der GdS 50 – 80.
In der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise beträgt der GdS 100.
16.5.2 Atypische chronische myeloische Leukämie, BCR/ABL-negativ; chronische Neutrophilen-Leukämie; chronische myelomonozytäre Leukämie
Im Stadium der kompletten hämatologischen Remission beträgt der GdS 40.
Im chronischen Stadium, auch bei Krankheitsbeginn (im ersten Jahr der Therapie), ist die Teilhabebeeinträchtigung insbesondere abhängig vom Ausmaß der Organvergrößerung und Anämie, der Thrombozytenzahl und der Intensität der Therapie. Der GdS beträgt 50 – 80.
In der akzelerierten Phase oder in der Blastenkrise beträgt der GdS 100.
16.5.3 Primäre Myelofibrose (Chronische idiopathische Myelofibrose)
Bei geringen Auswirkungen (keine Behandlungsbedürftigkeit) beträgt der GdS 10 – 20.
Bei mäßigen Auswirkungen (Behandlungsbedürftigkeit) beträgt der GdS 30 – 40.
Bei stärkeren Auswirkungen (insbesondere mäßige Anämie, geringe Thrombozytopenie, ausgeprägte Organomegalie) beträgt der GdS 50 – 70.
Bei starken Auswirkungen (insbesondere schwere Anämie, ausgeprägte Thrombozytopenie, exzessive Organomegalie) beträgt der GdS 80 – 100.
16.5.4 Chronische Eosinophilen-Leukämie/Hypereosinophilie-Syndrom
Die Teilhabebeeinträchtigung ist insbesondere abhängig vom Ausmaß der Organomegalie, Hautbeteiligung, Blutbildveränderungen und Nebenwirkungen der Therapie. Der GdS beträgt mindestens 50.
16.5.5 Polycythaemia vera
Bei Behandlungsbedürftigkeit
–
mit regelmäßigen Aderlässen. Der GdS beträgt 10.
–
mit zytoreduktiver Therapie ist die Teilhabebeeinträchtigung insbesondere abhängig vom Ausmaß der Nebenwirkungen der Therapie. Der GdS beträgt 30 – 40.
Übergänge zu anderen myeloproliferativen Erkrankungen sind analog zu diesen zu bewerten.
16.5.6 Essentielle Thrombozythämie
Bei Behandlungsbedürftigkeit
–
mit Thrombozytenaggregationshemmern. Der GdS beträgt 10.
–
mit zytoreduktiver Therapie ist die Teilhabebeeinträchtigung insbesondere abhängig vom Ausmaß der Nebenwirkungen der Therapie. Der GdS beträgt 30 – 40.
Übergänge zu anderen myeloproliferativen Erkrankungen sind analog zu diesen zu bewerten.
16.5.7 Die juvenile myelomonozytäre Leukämie ist analog zur akuten myeloischen Leukämie zu bewerten.
16.6 Akute Leukämien
Im ersten Jahr nach Diagnosestellung (Erstdiagnose oder Rezidiv; insbesondere während der Induktionstherapie, Konsolidierungstherapie, Erhaltungstherapie) beträgt der GdS 100.
Nach dem ersten Jahr
–
bei unvollständiger klinischer Remission: Der GdS beträgt weiterhin 100,
–
bei kompletter klinischer Remission unabhängig von der durchgeführten Therapie: Der GdS beträgt 80 für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung).
Danach ist der GdS nach den verbliebenen Auswirkungen (insbesondere chronische Müdigkeit, Sterilität, Neuropathien, Beeinträchtigung der Entwicklung und kognitiver Funktionen) zu bewerten.
16.7 Myelodysplastische Syndrome
mit geringen Auswirkungen (ausgeglichen und ohne wesentliche Allgemeinstörungen) 10-20
mit mäßigen Auswirkungen (z. B. gelegentliche Transfusionen) 30-40
mit stärkeren Auswirkungen (z. B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit, rezidivierende Infektionen) 50-80
mit starken Auswirkungen (z. B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit, häufige Infektionen, Blutungsneigung, leukämische Transformation) 100
Aplastische Anämie (auch Panmyelopathie), Agranulozytose
Der GdS bei aplastischer Anämie oder Agranulozytose ist auch nach Therapie analog zu den myelodysplastischen Syndromen zu bewerten.
16.8 Knochenmark- und Stammzelltransplantation
Nach autologer Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation ist der GdS entsprechend der Grundkrankheit zu beurteilen.
Nach allogener Knochenmarktransplantation für die Dauer von drei Jahren (Heilungsbewährung) 100
Danach ist der GdS nach den verbliebenen Auswirkungen und dem eventuellen Organschaden, jedoch nicht niedriger als 30, zu bewerten.
16.9 Anämien
Symptomatische Anämien (z. B. Eisenmangelanämie, vitaminabhängige Anämien) sind in der Regel gut behandelbar und nur vorübergehender Natur.
Therapierefraktäre Anämien (z. B. bestimmte hämolytische Anämien, Thalassämie, Erythrozytenenzymdefekte)
mit geringen Auswirkungen (ausgeglichen und ohne wesentliche Allgemeinstörungen) 0-10
mit mäßigen Auswirkungen (z. B. gelegentliche Transfusionen) 20-40
mit starken Auswirkungen (z. B. andauernde Transfusionsbedürftigkeit) 50-70
16.10 Hämophilie und entsprechende plasmatische Blutungskrankheiten (je nach Blutungsneigung)
leichte Form
mit Restaktivität von antihämophilem Globulin (AHG) über 5 % 20
mittelschwere Form - mit 1-5 % AHG
mit seltenen Blutungen 30-40
mit häufigen (mehrfach jährlich) ausgeprägten Blutungen 50-80
schwere Form - mit weniger als 1 % AHG 80-100
Sonstige Blutungsleiden
ohne wesentliche Auswirkungen 10
mit mäßigen Auswirkungen 20-40
mit starken Auswirkungen (starke Blutungen bereits bei leichten Traumen) 50-70
mit ständiger klinisch manifester Blutungsneigung (Spontanblutungen, Gefahr lebensbedrohlicher Blutungen) 80-100
Eine Behandlung mit Antikoagulantien ist bei der Grundkrankheit (z. B. bei Herzklappen- und Gefäßprothesen, Thrombophilie) berücksichtigt. Wenn die Grundkrankheit nicht mehr besteht bzw. keinen GdS mehr bedingt, aber eine Weiterbehandlung mit Antikoagulantien erforderlich ist, kann - analog den sonstigen Blutungsleiden - in der Regel ein GdS von 10 angenommen werden.
16.11 Immundefekte
Angeborene Defekte der humoralen und zellulären Abwehr (z. B. Adenosindesaminase-Defekt, DiGeorge-Syndrom, permanente B-Zell-Defekte, septische Granulomatose)
ohne klinische Symptomatik 0
trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit, aber keine außergewöhnlichen Infektionen 20-40
trotz Therapie neben erhöhter Infektanfälligkeit auch außergewöhnliche Infektionen (ein bis zwei pro Jahr) 50
Bei schwereren Verlaufsformen kommt ein höherer GdS in Betracht.
Erworbenes Immunmangelsyndrom (HIV-Infektion)
HIV-Infektion ohne klinische Symptomatik 10
HIV-Infektion mit klinischer Symptomatik
geringe Leistungsbeeinträchtigung (z. B. bei Lymphadenopathie syndrom [LAS]) 30-40
stärkere Leistungsbeeinträchtigung (z. B. bei AIDS-related complex [ARC]) 50-80
schwere Leistungsbeeinträchtigung (AIDS-Vollbild) 100
17.
Haut
Bei der Beurteilung des GdS von Hautkrankheiten sind Art, Ausdehnung, Sitz, Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, Begleiterscheinungen (wie Jucken, Nässen, Brennen, unangenehme und abstoßende Gerüche) und die Rezidivbereitschaft bzw. die Chronizität sowie die Notwendigkeit wiederholter stationärer Behandlung zu berücksichtigen. Bei Hautkrankheiten mit stark schwankendem Leidensverlauf kommt ein Durchschnitts-GdS in Betracht. Bei Kindern können sich Hautkrankheiten schwerer auswirken als bei Erwachsenen.
Narben können durch Ausdehnung, Beschaffenheit (z. B. Verhärtung, Verdünnung, Narbenzüge), Sitz oder Einwirkung auf ihre Umgebung zu Störungen führen. Bei flächenhaften Narben nach Verbrennungen, Verätzungen und ähnlichem muss außerdem die Beeinträchtigung der Haut als Schutz-, Ausscheidungs- und Sinnesorgan berücksichtigt werden. Diese Störungen bestimmen die Höhe des GdS.
Bei Entstellungen ist zu berücksichtigen, dass sich Schwierigkeiten im Erwerbsleben, Unannehmlichkeiten im Verkehr mit fremden Menschen sowie seelische Konflikte ergeben können.
17.1 Ekzeme
Kontaktekzeme (z. B. irritatives und allergisches Kontaktekzem)
geringe Ausdehnung und bis zu zweimal im Jahr für wenige
Wochen auftretend 0-10
Sonst 20-30
Atopisches Ekzem („Neurodermitis constitutionalis", „endogenes Ekzem")
geringe, auf die Prädilektionsstellen begrenzte Ausdehnung bis zu zweimal im Jahr für wenige Wochen auftretend 0-10
bei länger dauerndem Bestehen 20-30
mit generalisierten Hauterscheinungen, insbesondere Gesichtsbefall 40
mit klinischer oder vergleichbar intensiver ambulanter Behandlungsnotwendigkeit mehrmals im Jahr 50
Seborrhoisches Ekzem
geringe Ausdehnung und Beschränkung auf die Prädilektionsstellen 0-10
sonst, je nach Ausdehnung 20-30
17.2 Chronisch rezidivierende Urtikaria/Quincke-Ödem
selten, bis zu zweimal im Jahr auftretend, leicht vermeidbare Noxen oder Allergene 0-10
häufiger auftretende Schübe, schwer vermeidbare Noxen oder Allergene 20-30
schwerer chronischer, über Jahre sich hinziehender Verlauf 40-50
Eine systemische Beteiligung z. B. des Gastrointestinaltraktes oder des Kreislaufs ist ggf. zusätzlich zu berücksichtigen.
17.3 Akne
Acne vulgaris
leichteren bis mittleren Grades 0-10
schweren Grades mit vereinzelter Abszess- und Knotenbildung und entsprechender erheblicher kosmetischer Beeinträchtigung 20-30
Acne conglobata
auf die Prädilektionsstellen begrenzte häufige Abszess- und Fistelbildungen und lokalisationsbedingte Beeinträchtigungen 30-40
schwerste Formen mit rezidivierenden eitrigen, vernarbenden axilläringuinalen und nuchalen Abszessen (Acne triade) und ggf. zusätzlicher Beteiligung des Pilonidalsinus (Acne tetrade) wenigstens 50
17.4 Rosazea, Rhinophym
geringe Ausdehnung, kosmetisch nur wenig störend 0-10
stärkere Ausdehnung, entstellende Wirkung 20-30
17.5 Hautveränderungen bei Autoimmunkrankheiten des Bindegewebes
(z. B. Lupus erythematodes, Dermatomyositis, progressive systemische Sklerodermie)
auf die Prädilektionsstellen begrenzt bei geringer Ausdehnung 0-10
auf die Prädilektionsstellen begrenzt bei stärkerer Ausdehnung, je nach kosmetischer und funktioneller Auswirkung 20-40
über die Prädilektionsstellen hinausgehend, ggf. Ulzerationen 50-70
17.6 Blasenbildende Hautkrankheiten (z. B. Pemphigus, Pemphigoide)
bei begrenztem Haut- und Schleimhautbefall mit geringer Ausdehnung 10
sonst 20-40
bei generalisiertem Haut- und Schleimhautbefall 50-80
in fortgeschrittenen Stadien bei schwerer Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes auch höher.
17.7 Psoriasis vulgaris
auf die Prädilektionsstellen beschränkt 0-10
ausgedehnter, aber erscheinungsfreie Intervalle von Monaten 20
bei andauerndem ausgedehnten Befall oder stark beeinträchtigendem lokalen Befall (z. B. an den Händen) 30-50
Eine außergewöhnliche Nagelbeteiligung (mit Zerstörung der Nagelplatten) sowie eine Gelenk- und Wirbelsäulenbeteiligung sind zusätzlich zu bewerten.
17.8 Erythrodermien
bei leichter Intensität des Krankheitsprozesses 40
bei mittlerer Intensität des Krankheitsprozesses ohne wesentliche Auswirkung auf den Allgemeinzustand 50-60
mit stärkerer Auswirkung auf den Allgemeinzustand 70-80
17.9 Ichthyosis
leichte Form,
auf Stamm und Extremitäten weitgehend begrenzt, mit trockener Haut, mäßiger Schuppung, ohne wesentliche Verfärbung 0-10
mittlere Form
auf Stamm und Extremitäten weitgehend begrenzt, mit stärkerer Schuppung und Verfärbung 20-40
schwere Form
mit ausgeprägter Schuppung und Verfärbung der gesamten Haut, insbesondere der Gelenkbeugen und des Gesichts 50-80
17.10 Mykosen
bei begrenztem Hautbefall 0-10
bei Befall aller Finger- und Fußnägel, ggf. mit Zerstörung von Nagelplatten 20
Chronisch rezidivierendes Erysipel
ohne bleibendes Lymphödem 10
sonst, je nach Ausprägung des Lymphödems 20-40
Chronisch rezidivierender Herpes simplex
geringe Ausdehnung, bis zu dreimal im Jahr rezidivierend 0-10
größere Ausdehnung, häufiger rezidivierend 20
17.11 Totaler Haarausfall
(mit Fehlen von Augenbrauen und Wimpern) 30
17.12 Naevus
Der GdS richtet sich allein nach dem Ausmaß einer eventuellen Entstellung.
Pigmentstörungen (z. B. Vitiligo)
an Händen und/oder Gesicht
gering 10
ausgedehnter 20
sonst 0
17.13 Nach Entfernung eines malignen Tumors der Haut ist in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten (Ausnahmen: z. B. Basalzellkarzinome, Bowen-Krankheit, Melanoma in situ); GdS während dieser Zeit
nach Entfernung eines Melanoms im Stadium I ([pT1 bis T2] pN0 M0) oder eines anderen Hauttumors in den Stadien (pT1 bis T2) pN0 bis N2 M0 50
in anderen Stadien 80
18.
Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten
18.1 Allgemeines
Dieser Abschnitt umfasst Haltungsschäden, degenerative Veränderungen, osteopenische Krankheiten, posttraumatische Zustände, chronische Osteomyelitis, entzündlich-rheumatische Krankheiten, Kollagenosen und Vaskulitiden sowie nichtentzündliche Krankheiten der Weichteile.
Der GdS für angeborene und erworbene Schäden an den Haltungs- und Bewegungsorganen wird entscheidend bestimmt durch die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen (Bewegungsbehinderung, Minderbelastbarkeit) und die Mitbeteiligung anderer Organsysteme. Die üblicher Weise auftretenden Beschwerden sind dabei mitberücksichtigt.
Außergewöhnliche Schmerzen sind ggf. zusätzlich zu berücksichtigen. Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Gelenke können schwerwiegender als eine Versteifung sein.
Bei Haltungsschäden und/oder degenerativen Veränderungen an Gliedmaßengelenken und an der Wirbelsäule (z. B. Arthrose, Osteochondrose) sind auch Gelenkschwellungen, muskuläre Verspannungen, Kontrakturen oder Atrophien zu berücksichtigen.
Mit Bild gebenden Verfahren festgestellte Veränderungen (z. B. degenerativer Art) allein rechtfertigen noch nicht die Annahme eines GdS. Ebenso kann die Tatsache, dass eine Operation an einer Gliedmaße oder an der Wirbelsäule (z. B. Meniskusoperation, Bandscheibenoperation, Synovialektomie) durchgeführt wurde, für sich allein nicht die Annahme eines GdS begründen.
Das Funktionsausmaß der Gelenke wird im Folgenden nach der Neutral-Null-Methode angegeben.
Fremdkörper beeinträchtigen die Funktion nicht, wenn sie in Muskel oder Knochen reaktionslos eingeheilt sind und durch ihre Lage keinen ungünstigen Einfluss auf Gelenke, Nerven oder Gefäße ausüben.
Der GdS bei Weichteilverletzungen richtet sich nach der Funktionseinbuße und der Beeinträchtigung des Blut- und Lymphgefäßsystems. Bei Faszienverletzungen können Muskelbrüche auftreten, die nur in seltenen Fällen einen GdS bedingen.
Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Kollagenosen und Vaskulitiden.
Bei ausgeprägten osteopenischen Krankheiten (z. B. Osteoporose, Osteopenie bei hormonellen Störungen, gastrointestinalen Resorptionsstörungen, Nierenschäden) ist der GdS vor allem von der Funktionsbeeinträchtigung und den Schmerzen abhängig. Eine ausschließlich messtechnisch nachgewiesene Minderung des Knochenmineralgehalts rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdS.
18.2.1 Entzündlich-rheumatische Krankheiten (z. B. Bechterew-Krankheit)
ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit leichten Beschwerden 10
mit geringen Auswirkungen
(leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) 20-40
mit mittelgradigen Auswirkungen
(dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) 50-70
mit schweren Auswirkungen
(irreversible Funktionseinbußen, hochgradige Progredienz) 80-100
Auswirkungen über sechs Monate anhaltender aggressiver Therapien sind gegebenenfalls zusätzlich zu berücksichtigen.
18.2.2 Kollagenosen (z. B. systemischer Lupus erythematodes, progressiv-systemische Sklerose, Polymyositis/Dermatomyositis),
18.2.3 Vaskulitiden (z. B. Panarteriitis nodosa, Polymyalgia rheumatica)
Die Beurteilung des GdS bei Kollagenosen und Vaskulitiden richtet sich nach Art und Ausmaß der jeweiligen Organbeteiligung sowie den Auswirkungen auf den Allgemeinzustand, wobei auch eine Analogie zu den Muskelkrankheiten in Betracht kommen kann. Für die Dauer einer über sechs Monate anhaltenden aggressiven Therapie soll ein GdS von 50 nicht unterschritten werden.
18.3 Bei der Beurteilung nicht-entzündlicher Krankheiten der Weichteile kommt es auf Art und Ausmaß der jeweiligen Organbeteiligung sowie auf die Auswirkungen auf den Allgemeinzustand an.
18.4 Fibromyalgie
Die Fibromyalgie, das Chronische Fatigue Syndrom (CFS), die Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und ähnliche Syndrome sind jeweils im Einzelfall entsprechend der funktionellen Auswirkungen analog zu beurteilen.
18.5 Chronische Osteomyelitis
Bei der Beurteilung des GdS sind die aus der Lokalisation und Ausdehnung des Prozesses sich ergebende Funktionsstörung, die dem Prozess innewohnende Aktivität und ihre Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und außerdem etwaige Folgekrankheiten (z. B. Anämie, Amyloidose) zu berücksichtigen. Bei ausgeprägt schubförmigem Verlauf ist ein Durchschnitts-GdS zu bilden.
Ruhende Osteomyelitis (Inaktivität wenigstens 5 Jahre) 0-10
Chronische Osteomyelitis
geringen Grades
(eng begrenzt, mit geringer Aktivität, geringe Fisteleiterung) mindestens 20
mittleren Grades
(ausgedehnterer Prozess, häufige oder ständige Fisteleiterung, Aktivitätszeichen auch in Laborbefunden) mindestens 50
schweren Grades
(häufige schwere Schübe mit Fieber, ausgeprägter Infiltration der Weichteile, Eiterung und Sequesterabstoßung, erhebliche Aktivitätszeichen in den Laborbefunden) mindestens 70
Eine wesentliche Besserung wegen Beruhigung des Prozesses kann erst angenommen werden, wenn nach einem Leidensverlauf von mehreren Jahren seit wenigstens zwei Jahren - nach jahrzehntelangem Verlauf seit fünf Jahren - keine Fistel mehr bestanden hat und auch aus den weiteren Befunden (einschließlich Röntgenbildern und Laborbefunden) keine Aktivitätszeichen mehr erkennbar gewesen sind. Dabei ist in der Regel der GdS nur um 20 bis 30 Punkte niedriger einzuschätzen und zwei bis vier Jahre lang noch eine weitere Heilungsbewährung abzuwarten, bis der GdS nur noch von dem verbliebenen Schaden bestimmt wird.
18.6 Muskelkrankheiten
Bei der Beurteilung des GdS ist von folgenden Funktionsbeeinträchtigungen auszugehen:
Muskelschwäche
mit geringen Auswirkungen (vorzeitige Ermüdung, gebrauchsabhängige Unsicherheiten) 20-40
mit mittelgradigen Auswirkungen (zunehmende Gelenkkontrakturen und Deformitäten, Aufrichten aus dem Liegen nicht mehr möglich, Unmöglichkeit des Treppensteigens) 50-80
mit schweren Auswirkungen (bis zur Geh- und Stehunfähigkeit und Gebrauchsunfähigkeit der Arme) 90-100
Zusätzlich sind bei einzelnen Muskelkrankheiten Auswirkungen auf innere Organe (z. B. Einschränkung der Lungenfunktion und/oder der Herzleistung durch Brustkorbdeformierung) oder Augenmuskel-, Schluck- oder Sprechstörungen (z. B. bei der Myasthenie) zu berücksichtigen.
18.7 Kleinwuchs
Körpergröße nach Abschluss des Wachstums
über 130 bis 140 cm 30-40
über 120 bis 130 cm 50
Bei 120 cm und darunter kommen entsprechend höhere Werte in Betracht.
Dieser GdS ist auf harmonischen Körperbau bezogen.
Zusätzlich zu berücksichtigen sind (z. B. bei Achondroplasie, bei Osteogenesis imperfecta) mit dem Kleinwuchs verbundene Störungen wie
mangelhafte Körperproportionen,
Verbildungen der Gliedmaßen,
Störungen der Gelenkfunktion, Muskelfunktion und Statik,
neurologische Störungen,
Einschränkungen der Sinnesorgane,
endokrine Ausfälle und
außergewöhnliche psychoreaktive Störungen.
18.8 Großwuchs
Großwuchs allein rechtfertigt noch nicht die Annahme eines GdS. Auf psychoreaktive Störungen ist besonders zu achten.
18.9 Wirbelsäulenschäden
Der GdS bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden (einschließlich Bandscheibenschäden, Scheuermann-Krankheit, Spondylolisthesis, Spinalkanalstenose und dem sogenannten Postdiskotomiesyndrom) ergibt sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte.
Der Begriff Instabilität beinhaltet die abnorme Beweglichkeit zweier Wirbel gegeneinander unter physiologischer Belastung und die daraus resultierenden Weichteilveränderungen und Schmerzen. Sogenannte Wirbelsäulensyndrome (wie Schulter-Arm-Syndrom, Lumbalsyndrom, Ischialgie, sowie andere Nerven- und Muskelreizerscheinungen) können bei Instabilität und bei Einengungen des Spinalkanals oder der Zwischenwirbellöcher auftreten.
Für die Bewertung von chronisch-rezidivierenden Bandscheibensyndromen sind aussagekräftige anamnestische Daten und klinische Untersuchungsbefunde über einen ausreichend langen Zeitraum von besonderer Bedeutung. Im beschwerdefreien Intervall können die objektiven Untersuchungsbefunde nur gering ausgeprägt sein.
Wirbelsäulenschäden
ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität 0
mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) 10
mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) 20
mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) 30
mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten 30-40
mit besonders schweren Auswirkungen (z. B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst [z. B. Milwaukee-Korsett]; schwere Skoliose [ab ca. 70° nach Cobb]) 50-70
bei schwerster Belastungsinsuffizienz bis zur Geh- und Stehunfähigkeit 80-100
Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z. B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen.
Bei außergewöhnlichen Schmerzsyndromen kann auch ohne nachweisbare neurologische Ausfallerscheinungen (z. B. Postdiskotomiesyndrom) ein GdS über 30 in Betracht kommen.
Das neurogene Hinken ist etwas günstiger als vergleichbare Einschränkungen des Gehvermögens bei arteriellen Verschlusskrankheiten zu bewerten.
18.10 Beckenschäden
ohne funktionelle Auswirkungen 0
mit geringen funktionellen Auswirkungen (z. B. stabiler Beckenring, degenerative Veränderungen der Kreuz-Darmbeingelenke) 10
mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen (z. B. instabiler Beckenring einschließlich Sekundärarthrose) 20
mit schweren funktionellen Auswirkungen und Deformierung 30-40
18.11 Gliedmaßenschäden, Allgemeines
Der GdS bei Gliedmaßenschäden ergibt sich aus dem Vergleich mit dem GdS für entsprechende Gliedverluste. Trotz erhaltener Extremität kann der Zustand gelegentlich ungünstiger sein als der Verlust.
Die aufgeführten GdS für Gliedmaßenverluste gehen - soweit nichts anderes erwähnt ist - von günstigen Verhältnissen des Stumpfes und der benachbarten Gelenke aus. Bei ausgesprochen ungünstigen Stumpfverhältnissen, bei nicht nur vorübergehenden Stumpfkrankheiten sowie bei nicht unwesentlicher Funktionsbeeinträchtigung des benachbarten Gelenkes sind diese Sätze im allgemeinen um 10 zu erhöhen, unabhängig davon, ob Körperersatzstücke getragen werden oder nicht.
Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel mindern bei Verlust und Funktionsstörungen der Gliedmaßen sowie bei Funktionseinschränkungen des Rumpfes die Auswirkungen der Behinderung, ohne dass dadurch der durch den Schaden allein bedingte GdS eine Änderung erfährt.
Bei der Bewertung des GdS von Pseudarthrosen ist zu berücksichtigen, dass straffe Pseudarthrosen günstiger sind als schlaffe.
Bei habituellen Luxationen richtet sich die Höhe des GdS außer nach der Funktionsbeeinträchtigung der Gliedmaße auch nach der Häufigkeit der Ausrenkungen.
18.12 Endoprothesen
Es werden Mindest-GdS angegeben, die für Endoprothesen bei bestmöglichem Behandlungsergebnis gelten. Bei eingeschränkter Versorgungsqualität sind höhere Werte angemessen.
Die Versorgungsqualität kann insbesondere beeinträchtigt sein durch
- Beweglichkeits- und Belastungseinschränkung,
- Nervenschädigung,
- deutliche Muskelminderung,
- ausgeprägte Narbenbildung,
Die in der GdS-Tabelle angegebenen Werte schließen die bei der jeweiligen Versorgungsart üblicherweise gebotenen Beschränkungen ein.
Hüftgelenk
bei einseitiger Endoprothese beträgt der GdS mindestens 10
bei beidseitiger Endoprothese beträgt der GdS mindestens 20
Kniegelenk
bei einseitiger Totalendoprothese beträgt der GdS mindestens 20
bei beidseitiger Totalendoprothese beträgt der GdS mindestens 30
bei einseitiger Teilendoprothese beträgt der GdS mindestens 10
bei beidseitiger Teilendoprothese beträgt der GdS mindestens 20
Oberes Sprunggelenk
bei einseitiger Endoprothese beträgt der GdS mindestens 10
bei beidseitiger Endoprothese beträgt der GdS mindestens 20
Schultergelenk
bei einseitiger Endoprothese beträgt der GdS mindestens 20
bei beidseitiger Endoprothese beträgt der GdS mindestens 40
Ellenbogengelenk
bei einseitiger Totalendoprothese beträgt der GdS mindestens 30
bei beidseitiger Totalendoprothese beträgt der GdS mindestens 50
Kleine Gelenke
Endoprothesen bedingen keine wesentliche Teilhabebeeinträchtigung
Aseptische Nekrosen
Hüftkopfnekrosen (z. B. Perthes-Krankheit) während der notwendigen Entlastung 70
Lunatum-Malazie während der notwendigen Immobilisierung 30
18.13 Schäden der oberen Gliedmaßen
Extremitätenverlust
Verlust eines Armes und Beines 100
Verlust eines Armes im Schultergelenk oder mit sehr kurzem Oberarmstumpf 80
Unter einem sehr kurzen Oberarmstumpf ist ein Stumpf zu verstehen, der eine gleiche Funktionseinbuße wie der Verlust des Armes im Schultergelenk zur Folge hat. Das ist immer dann der Fall, wenn die Absetzungsebene in Höhe des Collum chirurgicum liegt.
Verlust eines Armes im Oberarm oder im Ellenbogengelenk 70
Verlust eines Armes im Unterarm 50
Verlust eines Armes im Unterarm mit einer Stumpflänge bis 7 cm 60
Verlust der ganzen Hand 50
Versteifung des Schultergelenks in günstiger Stellung bei gut beweglichem Schultergürtel 30
Eine Versteifung im Schultergelenk in einem Abspreizwinkel um ca. 45° und leichter Vorhalte gilt als funktionell günstig.
Versteifung des Schultergelenks in ungünstiger Stellung oder bei gestörter Beweglichkeit des Schultergürtels 40-50
Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel)
Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit 10
Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit 20
Instabilität des Schultergelenks
geringen Grades, auch seltene Ausrenkung (in Abständen von 1 Jahr und mehr) 10
mittleren Grades, auch häufigere Ausrenkung 20-30
schweren Grades (auch Schlottergelenk), auch ständige Ausrenkung 40
Schlüsselbeinpseudarthrose
straff 0-10
schlaff 20
Verkürzung des Armes bis zu 4 cm bei freier Beweglichkeit der
großen Armgelenke 0
Oberarmpseudarthrose
straff 20
schlaff 40
Riss der langen Bizepssehne 0-10
Versteifung des Ellenbogengelenks einschließlich Aufhebung der Unterarmdrehbewegung
in günstiger Stellung 30
in ungünstiger Stellung 40-50
Die Versteifung in einem Winkel zwischen 80° und 100° bei mittlerer Pronationsstellung des Unterarms ist als günstige Gebrauchsstellung aufzufassen.
Bewegungseinschränkung im Ellenbogengelenk
geringen Grades (Streckung/Beugung bis 0-30-120 bei freier Unterarmdrehbeweglichkeit) 0-10
stärkeren Grades (insbesondere der Beugung einschließlich Einschränkung der Unterarmdrehbeweglichkeit) 20-30
Isolierte Aufhebung der Unterarmdrehbeweglichkeit
in günstiger Stellung (mittlere Pronationsstellung) 10
in ungünstiger Stellung 20
in extremer Supinationsstellung 30
Ellenbogen-Schlottergelenk 40
Unterarmpseudarthrose
straff 20
schlaff 40
Pseudarthrose der Elle oder Speiche 10-20
Versteifung des Handgelenks
in günstiger Stellung (leichte Dorsalextension) 20
in ungünstiger Stellung 30
Bewegungseinschränkung des Handgelenks
geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 30-0-40) 0-10
stärkeren Grades 20-30
Nicht oder mit Deformierung verheilte Brüche oder Luxationen der Handwurzelknochen oder eines oder mehrerer Mittelhandknochen mit sekundärer Funktionsbeeinträchtigung 10-30
Versteifung eines Daumengelenks in günstiger Stellung 0-10
Versteifung beider Daumengelenke und des Mittelhand- Handwurzelgelenks in günstiger Stellung 20
Versteifung eines Fingers in günstiger Stellung (mittlere Gebrauchsstellung) 0-10
Versteifungen der Finger in Streck- oder starker Beugestellung sind oft störender als ein glatter Verlust.
Verlust des Daumenendgliedes 0
Verlust des Daumenendgliedes und des halben Grundgliedes 10
Verlust eines Daumens 25
Verlust beider Daumen 40
Verlust eines Daumens mit Mittelhandknochen 30
Verlust des Zeigefingers, Mittelfingers, Ringfingers oder Kleinfingers, auch mit Teilen des dazugehörigen Mittelhandknochens 10
Verlust von zwei Fingern
mit Einschluss des Daumens 30
II+III, II+IV 30
sonst 25
Verlust von drei Fingern
mit Einschluss des Daumens 40
II+III+IV 40
sonst 30
Verlust von vier Fingern
mit Einschluss des Daumens 50
sonst 40
Verlust der Finger II bis V an beiden Händen 80
Verlust aller fünf Finger einer Hand 50
Verlust aller zehn Finger 100
Obige Sätze gelten für den Gesamtverlust der Finger bei reizlosen Stumpfverhältnissen. Bei Verlust einzelner Fingerglieder sind sie herabzusetzen, bei schlechten Stumpfverhältnissen zu erhöhen.
Fingerstümpfe im Mittel- und Endgelenk können schmerzhafte Narbenbildung und ungünstige Weichteildeckung zeigen. Empfindungsstörungen an den Fingern, besonders an Daumen und Zeigefinger, können die Gebrauchsfähigkeit der Hand wesentlich beeinträchtigen.
Nervenausfälle (vollständig)
Armplexus 80
oberer Armplexus 50
unterer Armplexus 60
N. axillaris 30
N. thoracicus longus 20
N. musculocutaneus 20
N. radialis
ganzer Nerv 30
mittlerer Bereich oder distal 20
N. ulnaris
proximal oder distal 30
N. medianus
proximal 40
distal 30
Nn. radialis und axillaris 50
Nn. radialis und ulnaris 50
Nn. radialis und medianus 50
Nn. ulnaris und medianus 50
Nn. radialis, ulnaris und medianus im Vorderarmbereich 60
Trophische Störungen sind zusätzlich zu berücksichtigen; Teilausfälle der genannten Nerven sind entsprechend geringer zu bewerten.
18.14 Schäden der unteren Gliedmaßen
Verlust beider Beine im Oberschenkel 100
Verlust eines Beines im Oberschenkel und eines Beines im Unterschenkel 100
Verlust eines Beines und Armes 100
Verlust eines Beines im Hüftgelenk oder mit sehr kurzem Oberschenkelstumpf 80
Unter einem sehr kurzen Oberschenkelstumpf ist ein Stumpf zu verstehen, der eine gleiche Funktionseinbuße wie der Verlust des Beines im Hüftgelenk bedingt. Das ist immer dann der Fall, wenn die Absetzungsebene in Höhe des Trochanter minor liegt.
Verlust eines Beines im Oberschenkel (einschließlich Absetzung nach Gritti) 70
Notwendigkeit der Entlastung des ganzen Beines (z. B. Sitzbeinabstützung) 70
Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke 50
Notwendigkeit der Entlastung eines Unterschenkels (z. B. Schienbeinkopfabstützung) 50
Verlust eines Beines im Unterschenkel bei ungenügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke 60
Verlust beider Beine im Unterschenkel 80
bei einseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen 90
bei beidseitig ungünstigen Stumpfverhältnissen 100
Teilverlust eines Fußes, Absetzung
nach Pirogow
einseitig, guter Stumpf 40
beidseitig 70
nach Chopart
einseitig, guter Stumpf 30
einseitig, mit Fußfehlstellung 30-50
beidseitig 60
nach Lisfranc oder im Bereich der Mittelfußknochen nach Sharp
einseitig, guter Stumpf 30
einseitig, mit Fußfehlstellung 30-40
beidseitig 50
Verlust einer Zehe 0
Verlust einer Großzehe 10
Verlust einer Großzehe mit Verlust des Köpfchens des I. Mittelfußknochens 20
Verlust der Zehen II bis V oder I bis III 10
Verlust aller Zehen an einem Fuß 20
Verlust aller Zehen an beiden Füßen 30
Versteifung beider Hüftgelenke je nach Stellung 80-100
Versteifung eines Hüftgelenks
in günstiger Stellung 40
Die Versteifung eines Hüftgelenks in leichter Abspreizstellung von ca. 10°, mittlerer Drehstellung und leichter Beugestellung gilt als günstig.
in ungünstiger Stellung 50-60
Ungünstig sind Hüftgelenkversteifungen in stärkerer Adduktions-, Abduktions- oder Beugestellung.
Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke
geringen Grades
(z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit)
einseitig 10-20
beidseitig 20-30
mittleren Grades
(z. B. Streckung/Beugung bis zu 0-30-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit)
einseitig 30
beidseitig 50
stärkeren Grades
einseitig 40
beidseitig 60-100
Hüftdysplasie (einschließlich sogenannte angeborene Hüftluxation)
für die Dauer der vollständigen Immobilisierung 100
danach bis zum Abschluss der Spreizbehandlung 50
Anschließend und bei unbehandelten Fällen richtet sich der GdS nach der Instabilität und der Funktionsbeeinträchtigung.
Hüftgelenksresektion je nach Funktionsstörung 50-80
Schnappende Hüfte 0-10
Beinverkürzung
bis 2,5 cm 0
über 2,5 cm bis 4 cm 10
über 4 cm bis 6 cm 20
über 6 cm wenigstens 30
Oberschenkelpseudarthrose
straff 50
schlaff 70
Faszienlücke (Muskelhernie) am Oberschenkel 0-10
Versteifung beider Kniegelenke 80
Versteifung eines Kniegelenks
in günstiger Stellung (Beugestellung von 10-15°) 30
in ungünstiger Stellung 40-60
Lockerung des Kniebandapparates
muskulär kompensierbar 10
unvollständig kompensierbar, Gangunsicherheit 20
Versorgung mit einem Stützapparat, je nach Achsenfehlstellung 30-50
Kniescheibenbruch
nicht knöchern verheilt ohne Funktionseinschränkung des Streckapparates 10
nicht knöchern verheilt mit Funktionseinschränkung des Streckapparates 20-40
Habituelle Kniescheibenverrenkung
seltene Ausrenkung (in Abständen von 1 Jahr und mehr) 0-10
häufiger 20
Bewegungseinschränkung im Kniegelenk
geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90)
einseitig 0-10
beidseitig 10-20
mittleren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0-10-90)
einseitig 20
beidseitig 40
stärkeren Grades (z. B. Streckung/Beugung 0-30-90)
einseitig 30
beidseitig 50
Ausgeprägte Knorpelschäden der Kniegelenke (z. B. Chondromalacia patellae Stadium II - IV) mit anhaltenden Reizerscheinungen, einseitig
ohne Bewegungseinschränkung 10-30
mit Bewegungseinschränkung 20-40
Schienbeinpseudarthrose
straff 20-30
schlaff 40-50
Teilverlust oder Pseudarthrose des Wadenbeins 0-10
Versteifung des oberen Sprunggelenks in günstiger Stellung (Plantarflexion um 5° bis 15°) 20
Versteifung des unteren Sprunggelenks in günstiger Stellung (Mittelstellung) 10
Versteifung des oberen und unteren Sprunggelenks
in günstiger Stellung 30
in ungünstiger Stellung 40
Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk
geringen Grades 0
mittleren Grades (Heben/Senken 0-0-30) 10
stärkeren Grades 20
Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk 0-10
Klumpfuß je nach Funktionsstörung
einseitig 20-40
beidseitig 30-60
Andere Fußdeformitäten
ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) 0
mit statischer Auswirkung je nach Funktionsstörung
geringen Grades 10
stärkeren Grades 20
Versteifung aller Zehen eines Fußes
in günstiger Stellung 10
in ungünstiger Stellung 20
Versteifungen oder Verkrümmungen von Zehen außer der Großzehe 0
Versteifung der Großzehengelenke
in günstiger Stellung 0-10
in ungünstiger Stellung (z. B. Plantarflexion im Grundgelenk über 10°) 20
Narben nach größeren Substanzverlusten an Ferse und Fußsohle
mit geringer Funktionsbehinderung 10
mit starker Funktionsbehinderung 20-30
Nervenausfälle (vollständig)
Plexus lumbosacralis 80
N. glutaeus superior 20
N. glutaeus inferior 20
N. cutaneus femoralis lat 10
N. femoralis 40
N. ischiadicus
proximal 60
distal (Ausfall der Nn. peronaeus communis und tibialis) 50
N. peronaeus communis oder profundus 30
N. peronaeus superficialis 20
N. tibialis 30
Trophische Störungen sind zusätzlich zu berücksichtigen. Teilausfälle der genannten Nerven sind entsprechend geringer zu bewerten.
Völlige Gebrauchsunfähigkeit eines Beines 80
Teil C: Begutachtung im sozialen Entschädigungsrecht
1.
Ursachenbegriff
a)
Der versorgungsrechtliche Ursachenbegriff ist nicht identisch mit dem medizinischen.
b)
Ursache im Sinne der Versorgungsgesetze ist die Bedingung im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg an dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt hat. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen (und wie Ursachen zu werten), wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Versorgungsrechts.
c)
Die Ursache braucht nicht zeitlich eng begrenzt zu sein. Es können auch dauernde oder wiederkehrende kleinere äußere Einwirkungen in ihrer Gesamtheit eine Gesundheitsstörung verursachen.
d)
„Gelegenheitsursachen", letzter Anstoß, Anlass sind begrifflich keine wesentlichen Bedingungen. Eine „Gelegenheitsursache" kann nur dann angenommen werden, wenn der Gesundheitsschaden mit Wahrscheinlichkeit auch ohne das angeschuldigte Ereignis durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd derselben Zeit und in annähernd gleichem Ausmaß eingetreten wäre. So wird bei konstitutionsbedingten Leiden oft ein unwesentlicher äußerer Anlass von der Antrag stellenden Person als Ursache verantwortlich gemacht, z. B. das Heben von leichten Gegenständen für das Auftreten von Hernien. In solchen Fällen hat die äußere Einwirkung bei der Entstehung der Krankheit nicht wesentlich mitgeholfen, sondern sie hat nur innerhalb einer bereits bestehenden Störung einem besonders charakteristischen Krankheitssymptom zum Durchbruch verholfen. Das Wort „Auslösung" ist bei der Erörterung zu vermeiden, der Begriff ist zu unbestimmt. Bei der Beurteilung ist klarzustellen, welcher der zur Diskussion stehenden ätiologischen Faktoren die wesentliche Bedingung für den Eintritt des Erfolges und damit Ursache im versorgungsrechtlichen Sinne ist.
e)
Der Ursachenbegriff spielt eine Rolle bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen schädigendem Vorgang und Gesundheitsstörung oder Tod, des besonderen beruflichen Betroffenseins, der Hilflosigkeit, der Voraussetzungen für den Pauschbetrag für den Kleider- oder Wäscheverschleiß sowie im Bereich der Kriegsopferfürsorge und der Heilbehandlung wegen Schädigungsfolgen.
2.
Tatsachen zur Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs
a)
Zu den Fakten, die vor der Beurteilung eines ursächlichen Zusammenhangs geklärt („voll bewiesen") sein müssen, gehören der schädigende Vorgang, die gesundheitliche Schädigung und die zu beurteilende Gesundheitsstörung.
b)
Der schädigende Vorgang ist das Ereignis, das zu einer Gesundheitsschädigung führt, wie z. B. die Detonation eines Sprengkörpers, ein Kraftfahrzeugunfall, die Übertragung von Krankheitserregern oder eine Vergewaltigung. Auch besondere Belastungen, wie sie z. B. im Fronteinsatz, in Kriegsgefangenschaft, bei Dienstverrichtungen in bestimmten Ausbildungsstufen der Bundeswehr oder in rechtsstaatswidriger Haft in der ehemaligen DDR gegeben sein können, zählen dazu. Relativ selten sind daneben Auswirkungen von außerhalb der Dienstverrichtungen liegenden diensteigentümlichen Verhältnissen in Betracht zu ziehen; diensteigentümliche Verhältnisse sind die besonderen, von den Verhältnissen des zivilen Lebens abweichenden und diesen in der Regel fremden Verhältnisse des Dienstes (z. B. das enge Zusammenleben in einer Kaserne). Unfall ist ein auf äußeren Einwirkungen beruhendes plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis.
c)
Die gesundheitliche Schädigung ist die primäre Beeinträchtigung der Gesundheit durch den schädigenden Vorgang, wie z. B. die Verwundung, die Verletzung durch Unfall, die Resistenzminderung durch Belastung. Die verbleibende Gesundheitsstörung ist die Schädigungsfolge (Wehrdienstbeschädigungsfolge [WDB-Folge], Zivildienstbeschädigungsfolge [ZDB-Folge] usw.).
d)
Zwischen dem schädigenden Vorgang und der Gesundheitsstörung muss eine nicht unterbrochene Kausalkette bestehen, die mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft und den ärztlichen Erfahrungen im Einklang steht. Dabei sind Brückensymptome oft notwendige Bindeglieder. Fehlen Brückensymptome, so ist die Zusammenhangsfrage besonders sorgfältig zu prüfen und die Stellungnahme anhand eindeutiger objektiver Befunde überzeugend wissenschaftlich zu begründen.
e)
Für eine Reihe von Erkrankungen, für die eine traumatische Entstehung in Betracht kommt, muss auch eine lokale Beziehung zwischen dem Ort der traumatischen Einwirkung und dem Krankheitsherd vorliegen, z. B. bei Geschwülsten oder Osteomyelitis.
f)
Die Fakten, auf die sich die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs gründet, müssen voll bewiesen sein. Das bedeutet, dass sie belegt sein müssen oder dass - wenn Belege nicht zu beschaffen sind - zumindest nach den gegebenen Umständen (z. B. auch aufgrund einer Glaubhaftmachung) die Überzeugung zu gewinnen ist, dass es so und nicht anders gewesen ist.
3.
Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs
a)
Für die Annahme, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Schädigung ist, genügt versorgungsrechtlich die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Sie ist gegeben, wenn nach der geltenden medizinischwissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht. Mit besonderer Sorgfalt ist das Für und Wider abzuwägen. Auch bei schwierigen Zusammenhangsfragen soll man bemüht sein, im Gutachten zu einer verwertbaren Beurteilung zu kommen.
b)
Grundlage für die medizinische Beurteilung sind die von der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung vertretenen Erkenntnisse über Ätiologie und Pathogenese. Es genügt nicht, dass ein einzelner Wissenschaftler oder eine einzelne Wissenschaftlerin eine Arbeitshypothese aufgestellt oder einen Erklärungsversuch unternommen hat. Es kommt auch nicht allein auf die subjektive Auffassung der beurteilenden Person an.
c)
Vielfach lässt allein der große zeitliche Abstand ohne Brückensymptome den ursächlichen Zusammenhang unwahrscheinlich erscheinen. Die angemessene zeitliche Verbindung ist in der Regel eine Voraussetzung für die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Andererseits kann die zeitliche Verbindung zwischen einer Gesundheitsstörung und dem geleisteten Dienst für sich allein die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nicht begründen. Die Tatsache, dass z. B. ein Soldat beim Eintritt in den Dienst gesund war, dass er den Einflüssen des Dienstes ausgesetzt war und dass eine Krankheit während der Dienstzeit entstanden oder hervorgetreten ist, reicht für die Annahme einer Schädigungsfolge nicht aus. Es muss vielmehr der ungünstige Einfluss einer bestimmten Dienstverrichtung oder allgemeiner dienstlicher Verhältnisse auf die Entstehung oder Verschlimmerung der Krankheit dargelegt werden, da Krankheiten aller Art, insbesondere innere Leiden, zu jeder Zeit auch ohne wesentliche Mitwirkung eines schädigenden Vorgangs entstehen können.
d)
Aus dem Umstand, dass der Zusammenhang der Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang nach wissenschaftlicher Erkenntnis nicht ausgeschlossen werden kann, lässt sich nicht folgern, dass er darum wahrscheinlich sei. Ebenso wenig kann das Vorliegen einer Schädigungsfolge bejaht werden, wenn ein ursächlicher Zusammenhang nur möglich ist.
4.
Kannversorgung
a)
Abweichend von den oben erläuterten Grundsätzen kann nach § 1 Abs. 3 Satz 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) eine Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge anerkannt werden, wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht (Kannversorgung). Eine gleichlautende Bestimmung enthalten auch alle weiteren Gesetze des sozialen Entschädigungsrechts.
b)
Folgende medizinische Voraussetzungen müssen erfüllt sein:
aa)
Über die Ätiologie und Pathogenese des Leidens darf keine durch Forschung und Erfahrung genügend gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Auffassung herrschen. Eine von der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung abweichende persönliche Ansicht einer sachverständigen Person erfüllt nicht den Tatbestand einer Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft.
bb)
Wegen mangelnder wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfahrungen darf die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder Schädigungsfolgen für die Entstehung und den Verlauf des Leidens nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können. Ein ursächlicher Einfluss der im Einzelfall vorliegenden Umstände muss in den wissenschaftlichen Arbeitshypothesen als theoretisch begründet in Erwägung gezogen werden. Ist die ursächliche Bedeutung bestimmter Einflüsse trotz mangelnder Kenntnis der Ätiologie und Pathogenese wissenschaftlich nicht umstritten, so muss gutachterlich beurteilt werden, ob der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist.
cc)
Zwischen der Einwirkung der wissenschaftlich in ihrer ursächlichen Bedeutung umstrittenen Umstände und der Manifestation des Leidens oder der Verschlimmerung des Krankheitsbildes muss eine zeitliche Verbindung gewahrt sein, die mit den allgemeinen Erfahrungen über biologische Verläufe und den in den wissenschaftlichen Theorien vertretenen Auffassungen über Art und Wesen des Leidens in Einklang steht.
c)
Ungewissheiten im Sachverhalt, die von der Ungewissheit in der medizinischen Wissenschaft über die Ursachen des Leidens unabhängig sind, rechtfertigen die Anwendung der Kannvorschrift nicht; dies ist insbesondere der Fall, wenn rechtserhebliche Zweifel über den Zeitpunkt des Leidensbeginns bestehen, weil die geltend gemachten Erstsymptome mehrdeutig sind, oder wenn das Leiden diagnostisch nicht ausreichend geklärt ist.
d)
Ist bei einem Leiden eine Kannversorgung generell in Betracht zu ziehen, muss trotzdem anhand des Sachverhaltes des Einzelfalles stets zuerst geprüft werden, ob der ursächliche Zusammenhang mit Wahrscheinlichkeit zu beurteilen ist. Lässt sich dabei die Frage des ursächlichen Zusammenhangs bereits in ihrer Gesamtheit entscheiden, so entfällt eine Kannversorgung. Ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs nur für einen Teil des Gesamtleidens gegeben, so ist zu prüfen, ob für den verbleibenden Teil des Leidens die Voraussetzungen für eine Kannversorgung erfüllt sind.
e)
Ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem als Schädigungsfolge anerkannten Leiden und einem neuen Leiden nicht gegeben, weil über die Ursache des neuen Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, so ist eine Kannversorgung nur dann gerechtfertigt, wenn das als Ursache in Betracht kommende Leiden aus heutiger Sicht zu Recht anerkannt worden ist. Das heißt bei der Überprüfung der früheren Entscheidung müsste unter Berücksichtigung jeweils neuester medizinischer Erkenntnisse das anerkannte Leiden erneut als Schädigungsfolge anerkannt werden. Kommt bei einem Leiden, für das bereits teilweise eine Versorgung als Rechtsanspruch besteht, über diesen Anteil hinaus eine Kannversorgung in Betracht, so kann diese nur gewährt werden, wenn der als Schädigungsfolge anerkannte Teil des Leidens, der als mögliche Ursache für eine weitergehende Versorgung erörtert wird, zu Recht anerkannt worden ist, oder wenn für den als Schädigungsfolge anerkannten Teil des Leidens die Voraussetzungen für eine Kannversorgung erfüllt sind.
f)
Kann die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen oder von zu Recht als Schädigungsfolge anerkannten Leiden für die Verschlimmerung eines schädigungsunabhängig entstandenen Leidens wegen der insoweit in der medizinischen Wissenschaft bestehenden Ungewissheit nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden, so sind bei der Bemessung des Verschlimmerungsanteils das Ausmaß des Vorschadens, die Art des Leidens, die ihm innewohnende Entwicklungstendenz und der weitere Leidensverlauf zu berücksichtigen. Bei klar abgrenzbaren Verschlimmerungsanteilen ist der GdS in der auch sonst üblichen Weise zu bilden; bei späteren, erneut abgrenzbaren (z. B. schubartigen) Verschlechterungen des Leidens ist dann zu prüfen, ob diese nun mehr mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden können (z. B. nach langem, schubfreiem Intervall oder bei Einwirkung von neuen, in ihrer ursächlichen Bedeutung bekannten Faktoren). Bei nicht klar abgrenzbaren Verschlimmerungen - wenn also die ursächliche Bedeutung von Schädigungstatbeständen auch für den weiteren Verlauf nicht mit Wahrscheinlichkeit beurteilt werden kann (z. B. bei chronisch-progredienten Verlaufsformen) - kann je nach Ausmaß des Vorschadens und der hieraus ableitbaren Entwicklungstendenz des Leidens ein Bruchteil des jeweiligen Gesamtleidens oder auch der gesamte Leidenszustand in die Kannversorgung einbezogen werden.
5.
Mittelbare Schädigungsfolgen
Mittelbare Schädigungsfolgen sind Gesundheitsstörungen, die durch ein äußeres Ereignis, das seine Ursache in einem schädigungsbedingten Leiden hat, herbeigeführt worden sind. Die mittelbaren Schädigungsfolgen werden versorgungsrechtlich wie unmittelbare Schädigungsfolgen behandelt. Ein in der Eigenart eines Leidens liegender Folgeschaden ist keine mittelbare, sondern eine unmittelbare Schädigungsfolge.
6.
Absichtlich herbeigeführte Schädigungen
Eine von der beschädigten Person absichtlich herbeigeführte Schädigung gilt nicht als Schädigung im Sinne der Versorgungsgesetze. Absichtlich herbeigeführt ist sie dann, wenn sie von der beschädigten Person erstrebt war. Selbsttötung und die Folgen eines Selbsttötungsversuches oder einer Selbstverletzung sind nicht absichtlich herbeigeführt, wenn eine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch versorgungsrechtlich geschützte Tatbestände wahrscheinlich ist.
7.
Anerkennung im Sinne der Entstehung und Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung
a)
Die Anerkennung einer Gesundheitsstörung im Sinne der Entstehung setzt voraus, dass zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges noch kein dieser Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches physisches oder psychisches Geschehen vorhanden war. Dies gilt auch, wenn auf eine Disposition zu der Gesundheitsstörung geschlossen werden kann. Sofern zur Zeit der Einwirkung des schädigenden Vorganges bereits ein einer Gesundheitsstörung zugehöriges pathologisches physisches oder psychisches Geschehen, wenn auch noch nicht bemerkt, vorhanden war, kommt nur eine Anerkennung im Sinne der Verschlimmerung in Frage, falls die äußere Einwirkung entweder den Zeitpunkt vorverlegt hat, an dem das Leiden sonst in Erscheinung getreten wäre, oder das Leiden in schwererer Form aufgetreten ist, als es sonst zu erwarten gewesen wäre. Von diesem Begriff der Verschlimmerung ist der Begriff der Verschlimmerung im Sinne einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu unterscheiden.
b)
Bei weiterer Verschlechterung sowohl im Sinne der Entstehung als auch im Sinne der Verschlimmerung anerkannter Gesundheitsstörungen ist jeweils zu prüfen, ob die Leidenszunahme noch auf eine Schädigung ursächlich zurückzuführen ist.
c)
Bei der ärztlichen Begutachtung muss abgewogen werden, ob nur die eigengesetzliche Entwicklung eines Leidens vorliegt oder ob dienstliche oder außerdienstliche Einwirkungen als wesentliche Bedingung einen Einfluss auf die Stärke der Krankheitserscheinungen und auf die Schnelligkeit des Fortschreitens hatten.
8.
Arten der Verschlimmerung
Medizinisch gesehen unterscheidet man verschiedene Arten der Verschlimmerung. Ein schädigender Vorgang kann nur vorübergehend zu einer Zunahme des Krankheitswertes und damit zu keiner oder nicht zu einem bleibenden schädigungsbedingten GdS führen; er kann anhaltend, aber abgrenzbar den weiteren Krankheitsverlauf beeinflussen und damit zu einem gleichbleibenden schädigungsbedingten GdS führen; er kann aber auch den weiteren Krankheitsverlauf richtungsgebend bestimmen und damit Anlass zu einem ansteigenden schädigungsbedingten GdS sein. Häufig wird erst nach längerer Beobachtung des Verlaufs zu beurteilen sein, wie weit der Einfluss des schädigenden Vorgangs reicht. Das Ausmaß der Verschlimmerung ist für die Festsetzung des GdS von wesentlicher Bedeutung. Hierbei müssen in jedem Fall die durch die Gesundheitsstörung bewirkte Gesamt-GdS sowie der GdS für den Verschlimmerungsanteil durch Schädigungsfolgen und das Ausmaß des Vorschadens angegeben werden. Unabhängig von der medizinischen Beurteilung der Art der Verschlimmerung muss bei jeder weiteren Zunahme des Krankheitswertes der ursächliche Zusammenhang dieser Weiterentwicklung neu beurteilt werden.
9.
Fehlen einer fachgerechten Behandlung
Gesundheitsstörungen, bei deren Auftreten schädigende Einwirkungen nicht mitgewirkt haben, können in ihrem Verlauf in einen ursächlichen Zusammenhang mit schädigenden Einflüssen kommen, wenn durch dienst- oder hafteigentümliche Verhältnisse oder Schädigungsfolgen eine fachgerechte und wahrscheinlich erfolgreiche Behandlung nicht oder zu spät durchgeführt wird.
10.
Folgen von diagnostischen Eingriffen, vorbeugenden und therapeutischen Maßnahmen
a)
Die Folgen von diagnostischen Eingriffen, Operationen oder anderen Behandlungsmaßnahmen, die wegen Schädigungsfolgen durchgeführt werden, sind Schädigungsfolgen.
b)
Wenn derartige Maßnahmen wegen schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen vorgenommen werden, kommt eine Annahme nachteiliger Folgen als Schädigungsfolge in Betracht, wenn
aa)
eine Duldungspflicht von Maßnahmen zur Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten bestand,
bb)
die Behandlung auf den Dienst oder die dem Dienst (oder einer Haft) eigentümlichen Verhältnisse zurückzuführen war.
Für die Annahme nachteiliger gesundheitlicher Folgen einer Behandlung sind in jedem Fall ein Ursachenzusammenhang zwischen der Behandlung und einer gesundheitlichen Schädigung sowie die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen dieser Schädigung und ihren gesundheitlichen Folgen erforderlich. Der Dienst oder dienst-(bzw. haft-)eigentümliche Verhältnisse sind dann nicht wesentliche Bedingung für nachteilige gesundheitliche Folgen einer Behandlung, wenn andere Umstände eine überwiegende Bedeutung erlangt haben. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn eine Behandlung wegen eines tatsächlich oder vermeintlich lebensbedrohlichen Zustands durchgeführt wurde und nachteilige gesundheitliche Folgen nicht auf eine unsachgemäße Behandlung zurückzuführen sind. Der Umstand, dass eine Behandlung in einem Lazarett bzw. Bundeswehrkrankenhaus vorgenommen wurde, bietet allein noch keinen Grund, weitere Folgen der Krankheit als Schädigung bzw. Schädigungsfolgen anzusehen. Nachteilige gesundheitliche Folgen sind solche, die außerhalb des mit der Behandlung angestrebten Heilerfolges liegen. Die Unterlassung einer gebotenen Maßnahme steht hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen ihrer Vornahme gleich.
11.
Ursächlicher Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod
a)
Der Tod ist die Folge einer Schädigung, wenn er durch sie verursacht worden ist.
b)
Wenn eine beschädigte Person an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war, dass heißt, wenn die anerkannte Gesundheitsstörung den Tod verursacht hat, gilt der Tod stets als Schädigungsfolge (Rechtsvermutung). Diese Rechtsvermutung erlaubt es, im Gutachten die Stellungnahme auf die Frage des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Tod und anerkannter Schädigungsfolge zu beschränken. Eine nochmalige Stellungnahme zur Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Dienst und anerkannter Schädigungsfolge erübrigt sich daher, es sei denn, dass Umstände bekannt werden, die auf eine zweifelsfreie Unrichtigkeit des bisherigen Anerkenntnisses hinweisen.
c)
Stirbt eine beschädigte Person an einem im Sinne der Verschlimmerung anerkannten Leiden, so trifft die Rechtsvermutung zu, wenn die schädigungsbedingte Verschlimmerung für den Tod ursächlich gewesen ist. Ob dies der Fall war, bedarf einer Prüfung unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse des Einzelfalles und unter Wertung der mitwirkenden, nicht schädigungsbedingten Umstände. Die Höhe des für den Verschlimmerungsanteil anerkannten GdS gibt dabei nicht den Ausschlag, vielmehr sind die tatsächlichen gesundheitlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Todes für die Beurteilung maßgebend.
d)
Haben zum Tod mehrere Leiden beigetragen, die nicht alle Schädigungsfolgen sind, dann ist unter Anwendung des versorgungsrechtlichen Ursachenbegriffs zu prüfen, ob die Schädigungsfolgen zumindest eine annähernd gleichwertige Bedeutung für den Eintritt des Todes hatten. In seltenen Fällen kann bei dieser Beurteilung auch der Zeitpunkt des Todes eine wichtige Rolle spielen, und zwar dann, wenn neben den Schädigungsfolgen ein schweres schädigungsunabhängiges Leiden vorgelegen hat, das nach ärztlicher Erfahrung ohne die Schädigungsfolgen noch nicht zu diesem Zeitpunkt, jedoch in einem späteren Stadium in absehbarer Zeit für sich allein zum Tode geführt hätte. In einem solchen Fall ist der Tod dann als Schädigungsfolge anzusehen, wenn die beschädigte Person ohne die Schädigungsfolgen wahrscheinlich mindestens ein Jahr länger gelebt hätte. Der ärztlichen Beurteilung sind hierbei Grenzen gesetzt; eine besonders sorgfältige Abwägung aller Umstände ist geboten.
e)
Eine aus dienstlichen Gründen oder wegen Schädigungsfolgen unterbliebene rechtzeitige oder richtige Behandlung kann Ursache des Todes sein.
f)
Häufig kann der ursächliche Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod ohne Leichenöffnung nicht zutreffend beurteilt werden.
12.
Vorschaden, Nachschaden, Folgeschaden
a)
Ein Vorschaden ist eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung, die bei Eintritt der Schädigung bereits nachweisbar bestanden hat. Beim Vorliegen eines Vorschadens ist bei der Bemessung des schädigungsbedingten GdS Folgendes zu beachten:
aa)
Wenn sich Vorschaden und Schädigungsfolge an verschiedenen Körperteilen befinden und sich gegenseitig nicht beeinflussen, so ist der Vorschaden ohne Bedeutung.
bb)
Hat die Schädigung eine vorgeschädigte Gliedmaße oder ein vorgeschädigtes Organ betroffen, muss der schädigungsbedingte GdS niedriger sein als der GdS, der sich aus dem nun bestehenden Gesamtschaden ergibt, es sei denn, dass der Vorschaden nach seinem Umfang oder nach seiner Art keine wesentliche Bedeutung für die gesamte Gesundheitsstörung hat. Der schädigungsbedingte GdS lässt sich dabei nicht einfach dadurch ermitteln, dass der GdS des Vorschadens rein rechnerisch von dem GdS des Gesamtschadens abgezogen wird; maßgeblich ist, zu welchem zusätzlichen anatomischen und funktionellen Verlust die Schädigung geführt hat.
cc)
Sind durch Vorschaden und Schädigungsfolge verschiedene Organe oder Gliedmaßen oder paarige Organe betroffen und verstärkt der Vorschaden die schädigungsbedingte Funktionsstörung, so ist der schädigungsbedingte GdS unter Umständen höher zu bewerten, als es bei isolierter Betrachtung der Schädigungsfolge zu geschehen hätte.
b)
Ein Nachschaden ist eine Gesundheitsstörung, die zeitlich nach der Schädigung eingetreten ist und nicht in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädigung steht. Eine solche Gesundheitsstörung kann bei der Feststellung des GdS nach § 30 Absatz 1 Bundesversorgungsgesetz nicht berücksichtigt werden, auch dann nicht, wenn sie zusammen mit Schädigungsfolgen zu besonderen Auswirkungen führt, bei denen die Schädigungsfolgen eine gleichwertige oder überwiegende Bedeutung haben.
c)
Wenn demgegenüber nach einer Schädigung eine weitere Gesundheitsstörung eintritt, bei der - vor allem nach ihrer Art - wahrscheinlich ist, dass die Schädigung oder deren Folgen bei der Entstehung dieser Gesundheitsstörung wesentlich mitgewirkt haben, so handelt es sich um einen Folgeschaden, der eine weitere Schädigungsfolge darstellt und daher mit seinem gesamtem GdS zu berücksichtigen ist. Wenn ein solcher Folgeschaden erst viele Jahre nach der Schädigung in Erscheinung tritt, spricht man auch von einem Spätschaden.
13.
Voraussetzungen für die Pflegezulage, Pflegezulagestufen
a)
Pflegezulage wird bewilligt, solange Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos sind, dass sie für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen. Diese Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muss, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist.
b)
Die Hilflosigkeit muss durch die Folgen der Schädigung verursacht sein. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie ausschließlich oder überwiegend auf eine Schädigungsfolge zurückzuführen ist. Es genügt, dass für den Eintritt der Hilflosigkeit - oder auch für eine Erhöhung des Pflegebedürfnisses - die Schädigungsfolge eine annähernd gleichwertige Bedeutung gegenüber anderen Gesundheitsstörungen hat.
c)
Die Pflegezulage wird in sechs Stufen bewilligt. Für dauerndes Krankenlager oder dauernd außergewöhnliche Pflege sind die Stufen II bis VI vorgesehen.
d)
Ein dauerndes außergewöhnliches Pflegebedürfnis liegt vor, wenn der Aufwand an Pflege etwa in gleichem Umfang wie bei dauerndem Krankenlager einer beschädigten Person notwendig ist. Dauerndes Krankenlager setzt nicht voraus, dass man das Bett überhaupt nicht verlassen kann.
e)
Bei Doppelamputierten ohne weitere Gesundheitsstörungen - ausgenommen Doppel-Unterschenkelamputierten - ist im allgemeinen eine Pflegezulage nach Stufe I angemessen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um paarige oder nichtpaarige Gliedverluste (Oberarm, Unterarm, ganze Hand, Oberschenkel, Unterschenkel, ganzer Fuß) handelt. Sofern nicht besondere Umstände eine höhere Einstufung rechtfertigen sind folgende Stufen der Pflegezulage angemessen:
1. Bei Verlust beider Beine im Oberschenkel: Stufe II
2. Bei Verlust beider Hände oder Unterarme: Stufe III
3. Bei Verlust beider Arme im Oberarm oder dreier Gliedmaßen: Stufe IV.
f)
Die Pflegezulage nach Stufe V kommt in Betracht, wenn ein außergewöhnlicher Leidenszustand vorliegt und die Pflege besonders hohe Aufwendungen erfordert. Dies trifft immer zu bei
1.
Querschnittgelähmten mit Blasen- und Mastdarmlähmung,
2.
Hirnbeschädigten mit schweren psychischen und physischen Störungen,
3.
Ohnhändern mit Verlust beider Beine im Oberschenkel,
4.
blinden Doppel-Oberschenkelamputierten,
5.
Blinden mit völligem Verlust einer oberen und einer unteren Gliedmaße.
g)
Besonders schwer betroffene Beschädigte erhalten eine Pflegezulage nach Stufe VI. Es handelt sich dabei um
1.
Blinde mit völligem Gehörverlust,
2.
blinde Ohnhänder,
3.
Beschädigte mit Verlust beider Arme im Oberarm und beider Beine im Oberschenkel,
4.
Beschädigte, bei denen neben einem Leidenszustand, der bereits die Gewährung einer Pflegezulage nach Stufe V rechtfertigt, noch eine weitere Gesundheitsstörung vorliegt, die das Pflegebedürfnis wesentlich erhöht (z. B. erhebliche Gebrauchsbehinderung beider Arme bei vollständiger Lähmung beider Beine mit Blasen- und Mastdarmlähmung), sowie
5.
andere Beschädigte, deren außergewöhnlicher Leidenszustand und deren Pflegebedürfnis denen der vorgenannten Beschädigten vergleichbar sind.
h)
Bei Säuglingen und Kleinkindern ist - auch hinsichtlich der Pflegezulagestufe - nur der Teil der Hilflosigkeit zu berücksichtigen, der den Umfang des Hilfsbedürfnisses eines gesunden gleichaltrigen Kindes überschreitet.
i)
Erwerbsunfähige Hirnbeschädigte erhalten eine Pflegezulage mindestens nach Stufe I, wenn die Hirnbeschädigung allein die Erwerbsunfähigkeit bedingt. Ob bei erwerbsunfähigen Hirnbeschädigten eine höhere Pflegezulage als Stufe I in Betracht kommt, ist im Einzelfall nach den Auswirkungen der Krankheitserscheinungen zu entscheiden. Der Grad der psychischen Störungen und die Art und Häufigkeit von Anfällen sind dabei besonders zu berücksichtigen.
j)
Bei Beschädigten mit schweren geistigen oder seelischen Störungen, die wegen dauernder und außergewöhnlicher motorischer Unruhe ständiger Aufsicht bedürfen (z. B. erethische Kinder), sind die Voraussetzungen für eine Pflegezulage mindestens nach Stufe III gegeben.
k)
Blinde erhalten mindestens die Pflegezulage nach Stufe III. Treten bei Blinden weitere Gesundheitsstörungen, vor allem Störungen der Ausgleichsfunktion hinzu, die unter Beachtung von Buchstabe b bei der gebotenen Gesamtbetrachtung das Pflegebedürfnis über den tatsächlichen Bedarf der Stufe III hinaus erhöhen, so ist die Pflegezulage nach Stufe IV zu bewilligen, wenn nicht nach Buchstabe f oder g die Pflegezulage nach Stufe V oder VI zusteht. Hochgradig Sehbehinderte erfüllen grundsätzlich die Voraussetzungen für die Gewährung einer Pflegezulage nach Stufe I.
Teil D: Merkzeichen
1.
Erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G)
a)
Nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) ist zu beurteilen, ob ein behinderter Mensch infolge seiner Behinderung in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist. Hilflose und Gehörlose haben stets einen Anspruch auf unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr.
b)
In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden, oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Bei der Prüfung der Frage, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es nicht auf die konkreten örtlichen Verhältnisse des Einzelfalles an, sondern darauf, welche Wegstrecken allgemein - d. h. altersunabhängig von nicht behinderten Menschen - noch zu Fuß zurückgelegt werden. Als ortsübliche Wegstrecke in diesem Sinne gilt eine Strecke von etwa zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.
c)
Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezügliche behinderungsbedingte Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen.
d)
Die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung des Gehvermögens sind als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken, z. B. bei Versteifung des Hüftgelenks, Versteifung des Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung, arteriellen Verschlusskrankheiten mit einem GdB von 40. Auch bei inneren Leiden kommt es bei der Beurteilung entscheidend auf die Einschränkung des Gehvermögens an. Dementsprechend ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit, z. B. chronische Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie, sind die Voraussetzungen als erfüllt anzusehen.
e)
Bei hirnorganischen Anfällen ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit der Anfälle sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdS von wenigstens 70 zu schließen, wenn die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Analoges gilt beim Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks.
f)
Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (z. B. Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sich im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zurechtfinden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.
2.
Berechtigung für eine ständige Begleitung (Merkzeichen B)
a)
Für die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson ist nach dem SGB IX die Berechtigung für eine ständige Begleitung zu beurteilen. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern ist die gutachtliche Beurteilung der Berechtigung für eine ständige Begleitung erforderlich. Für die Beurteilung sind dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen mit gleichen Gesundheitsstörungen maßgebend. Es ist nicht zu prüfen, ob tatsächlich diesbezügliche behinderungsbedingte Nachteile vorliegen oder behinderungsbedingte Mehraufwendungen entstehen.
b)
Eine Berechtigung für eine ständige Begleitung ist bei schwerbehinderten Menschen (bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen „G", „Gl" oder „H" vorliegen) gegeben, die bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln infolge ihrer Behinderung regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Dementsprechend ist zu beachten, ob sie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel regelmäßig auf fremde Hilfe beim Ein- und Aussteigen oder während der Fahrt des Verkehrsmittels angewiesen sind oder ob Hilfen zum Ausgleich von Orientierungsstörungen (z. B. bei Sehbehinderung, geistiger Behinderung) erforderlich sind.
c)
Die Berechtigung für eine ständige Begleitung ist anzunehmen bei
Querschnittgelähmten,
Ohnhändern,
Blinden und Sehbehinderten, Hörbehinderten, geistig behinderten Menschen und Anfallskranken, bei denen die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr gerechtfertigt ist.
3.
(aufgehoben)
4.
Gehörlosigkeit (Merkzeichen Gl)
Gehörlos sind nicht nur Hörbehinderte, bei denen Taubheit beiderseits vorliegt, sondern auch Hörbehinderte mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit beiderseits, wenn daneben schwere Sprachstörungen (schwer verständliche Lautsprache, geringer Sprachschatz) vorliegen. Das sind in der Regel Hörbehinderte, bei denen die an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit angeboren oder in der Kindheit erworben worden ist.